Von Gottes- und Menschenrechten. 263 Ich habe Spinozas „Ethik“ durchgelesen und mich einmal 9. VII. mehr gewundert, wie Goethe ihn Theissimus und Christianissimus nennen kann. Die beiden Goetheschen termini beziehen sich offen bar auf ,Ursache' und ,Wirkung' in Spinozas System. Das be wegende, tätige Prinzip nennt Goethe wohl Theissimus; das erleidende, der Wirkung ausgesetzte: Christianissimus. Ver hielte es sich so, dann könnte man sagen, es sei aus Spinozas Kausalitätsbegriff ein Gegensatz zwischen dem allergöttlichsten Beweger (Jehova) und dem allerchristlichsten Erleider (Jesus) herausgelesen, und mir scheint damit in der Tat Spinozas tiefere Konstitution bezeichnet zu sein, die, wenn auch in abstrakter geometrischer Sprache, jüdisch und nicht christlich ist; denn Spinozas Ethik befürwortet das konservativ-tätige, das be wegende Prinzip, und verwirft den Affekt und das Leiden. Man vergleiche die folgenden Sätze: 1. Lust ist an und für sich nicht schlecht, sondern gut; Unlust dagegen ist an und für sich schlecht (S. 297). 2. Wohlbehagen ist' immer gut; Mißbehagen dagegen ist immer schlecht (298). 3. Mitleid ist bei einem Menschen, der nach der Leitung der Vernunft strebt, an und für sich schlecht und unnütz (305). 4. Reue ist keine Tugend und entspringt nicht der Vernunft; sondern derjenige, der eine Tat bereut, ist doppelt gedrückt oder unvermögend (310). 5. Weil alles, wovon der Mensch selbst die wirkende Ursache ist, notwendig gut ist (?), so kann dem Menschen kein Übel zustoßen, als nur von äußeren Ursachen (334). 6. Nach dem höchsten Naturrecht ist jedem erlaubt, das zu tun, was ihm nach seiner Meinung zum Vorteil gereicht (335). 7. Gott ist frei von allem Leiden, und wird von keinem Affekt der Lust oder Unlust erregt (364).