Die Flucht zum Grunde. 279 Postkriptum zur Mittelalter-Philosophie: 12. Für den Philosophen widerstreitet die Sünde der Vernunft und ist eine Negierung der Vernunft; wobei, was Vernunft ist, vom eigenen Ermessen und von der Erfahrung bestimmt wird. Für den Theologen ist die Sünde etwas anderes; ihm ist sie eine Beleidigung Gottes und eine Verletzung objektiver Rechte.- Billigerweise; denn wer die unsterbliche Seele dem sterblichen Menschen verliehen hat, der hat auch ein Recht an ihr; und wer den Menschen vereidigt hat, dem ist er die Treue schuldig. Das hierin umschriebene Gottesrecht ist aufgestellt in den Sakra menten der Taufe und der Firmung. Man könnte dabei der Meinung sein, es sei gut, daß der Mensch bei aller Vernunft und Verantwortung diese beiden Sakramente empfinge, und in der Tat haben die Konvertiten einen gewissen Vorrang. Die Kirche aber wird wissen, weshalb sie an der Kindertaufe und Kinder firmung festhält. Ich sprach und schrieb einmal gar viel von Rechtsverletzung und Schuld. Und habe doch, wie ich erkennen muß, meinen dereinst der Kirche gegebenen Treueid gebrochen. Freilich war ich ein Kind, als ich die heilige Firmung empfing; aber es war ein besonderer Appell an meine Einsicht und Selbstbewahrung. Nun suche ich zurück zur Kirche und ein Leben voller Verfeh lungen liegt dazwischen. Vor allen Ungläubigen hätte ich es ver bergen können; vor dem Priester aber würde ich damit nicht durchkommen. Ich war der eifrigsten einer, die für die Moral eintraten, und muß nun erkennen: auch ich gehöre dazu, auch ich bin einer von denen. Wie könnte ich meinen Verrat auslöschen und vor mir selber bestehen? Indem ich das Lob des Beleidigten singe? Was würde mein Loblied sein und bedeuten? So singt eine Krähe mit heiserer Stimme. Domine, peccavi.