Die Flucht zum Grunde. 301 Ich wußte nicht, daß der Leib Christi wächst in seinem Leben und in seinem Tode; daß er stets neue Glieder ansetzt und neue Augen aufschlägt. Heute, als ich durch einen Rebengang ging, klang es mir auf: der Leib Christi dränge in euch zu neuer Ge burt, zu neuen Organen, zu neuer Lebendigkeit... * Joannes Klimax und Thomas a Kempis waren sechzig Jahre alt, als sie die „Scala Paradisi“ und die „Imitatio Christi“ schrie ben. Vor Gott waren sie immer noch Kinds genug. * In seiner Abhandlung über die „Asketischen Ideale“ glaubt 22. Nietzsche, das Christentum verabsolutiere die Wahrheit, die Wissenschaft. Das ist keineswegs richtig; oder aber es ist eine Wahrheit und eine Wissenschaft, die einen anderen Sinn haben als den von ihm angenommenen. Vielleicht verabsolutiert das Christentum nur das inkorrupte Bild (so wenn es vom hl. Lukas heißt, daß er ein Maler gewesen). Oder es verabsolutiert das Wort (Logos), wie im Evangelium Johannis zu Anfang zu lesen ist. Wort und Bild: das ist aber nicht die Wissenschaft, sondern das ist die Kunst. Freilich, eine Religion, die ganz auf Leben und Sterben in ihren letzten Extrakten gerichtet ist, wird eine andere Kunst (und eine andere Lebenskunst) haben, als eine Zeit, die den Tod bis ans Ende verschiebt. * Mit der moralischen Beschneidung im Neuen Testament ist eine Befürwortung der Idiotai verbunden, dem alexandrinischen Wissenskult gegenüber. Auch dies spricht gegen Nietzsches Be hauptung. Die Kirche ist notwendig der Gegner der Akademie. Es kann nicht zwei objektive Wissenschaften geben, von denen