Die Kulisse.
9
daß man ihn hinter der Bühne mit mir verwechselte. In einer
Pause bei den Proben stellte er mir Carl Sternheim vor, eine
kleine Gestalt von verblüffender Agilität. Von Schauspielern ist
mir Carl Götz noch in Erinnerung. Über ihn müßte man ein
ganzes Buch allein schreiben. Wenn er den Crainquebille in Ana-
tole France’s gleichnamigem Stück spielte, erhob sich das Parkett
von den Sitzen aus Ehrfurcht und Ergriffenheit. Der „Bettler“
von Reinhold Sorge war ein Stück, das ich sehr liebte und das
ich immer zur Aufführung vorschlug, an dessen Wirksamkeit aber
niemand glaubte.
*
Unsere Zeitschriften hießen „Der Sturm“, „Die Aktion“, „Die
Neue Kunst“ und schließlich, schon Herbst 1913, „Die Revolu
tion“. Der Titel dieser letzteren stand in roten Lettern unmiß
verständlich auf Zeitungspapier gedruckt, darunter ein schmaler
Holzschnitt von Seewald, mit schwankenden windschiefen Häu
sern. Es war mehr stilistisch gemeint als politisch; von Politik
hatten die meisten der Mitarbeiter, und besonders der Redaktor,
Freund L., kaum eine Ahnung. Gleichwohl wurde die Nummer 1
beschlagnahmt, in der Nummer 2 erschien ein Brief von mir über
Theaterzensur. Damals reiste ich einmal frischweg nach Dresden
und bewarb mich um die Direktion eines Theaters. Der Ausflug
war interessant genug. In Hellerau sah ich eine Aufführung der
„Verkündigung“ von Claudel und hörte ein Privatissimum
Hegners über den damals noch neuen französischen Dichter und
Konsul. Niemand konnte aus tieferer Verehrung und besserer
Kenntnis über ihn sprechen als Hegner, der zugleich sein Über
setzer und sein Verleger war.
*
Dresden war damals überhaupt sehr lebendig. Ich sah dort
zur selben Zeit eine Kollektivausstellung Picassos und die ersten