Das Wort und das Bild.
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Als Hülsenbeck seine Umbas gestern kräftig wieder into
nierte, mußte ich unwiderstehlich an Freiligrath denken. Von See
kühen und Affen schreiben, während man in aller Gemütsruhe
den Stiefelzieher eines chambre garni benützt, dieses kann nicht
richtig sein. ,Yoshiwara* und die ,Sykomore*, das ist schließ
lich ein- und dasselbe. Rimbaud ist wirklich geflüchtet, er hat
die Exotik erlebt und ein Angebinde davon nach Hause gebracht,
das ihn das Leben kostete. Wir andern dagegen schwärmen für
den Wüstenkönig und sind sanftlebige Tatarins.
*
Unser Kabarett ist eine Geste. Jedes Wort, das hier ge- 14. IV.
sprochen und gesungen wird, besagt wenigstens das eine, daß
es dieser erniedrigenden Zeit nicht gelungen ist, uns Respekt
abzunötigen. Was wäre auch respektabel und imponierend an
ihr? Ihre Kanonen? Unsere große Trommel übertönt sie. Ihr
Idealismus? Er ist längst zum Gelächter geworden, in seiner
populären und seiner akademischen Ausgabe. Die grandiosen
Schlachtfeste und kannibalischen Heldentaten? Unsere freiwillige
Torheit, unsere Begeisterung für die Illusion wird sie zu schänden’
machen.
*
Wenn man in Sternheims Komödien die ,menschlichen Werte* 16. IV.
vermißt, sollte man bedenken, daß die Komödie ohne Humanität
überhaupt nicht vorhanden und fühlbar zu machen ist. Alle Komik
entsteht aus der humanen Beleuchtung verbildeter Gegenstände.
Der Komödiendichter empfindet das Leben zwiefach: als Utopie
und als Wirklichkeit, als Hintergrund und als Figur. Der Ab
stand zwischen beiden erscheint ihm als Zerrbild, und um so
mehr, je mehr er auf Seiten des Ideals steht. Ein solcher Dichter
ist immer kritisch beanlagt. Er leidet an seiner Zeit und Um
gebung. Seine gleichwohl versöhnliche Einstellung zur Gestalt