Das Wort und das Bild.
115
*
8*
Rubiner verteidigt in der „Aktion“ den Literaten gegen ver- Ascona,
schiedene imaginäre und wirkliche Angriffe. Auch ich gehöre zu
den Angreifern, gegen die man sich wehren muß. „Sie alle be
schimpfen mit ,Literat', sie entehren im Wort ,Literat', sie arbeiten
am Mißkredit mit ,Literat'.“ — Es ist aber gar nicht richtig,
daß auch ich zu den Angreifern gehöre; auch für mich ist das
Wort ein Ehrentitel. Der Literat ist einer, der das Wort um
seiner selbst willen pflegt. Nur hat bei der weitgehenden Spe
zialisierung der Zeit zwischen dem Literaten einer- und dem
Dichter und dem Gelehrten andererseits eine Teilung stattgefun
den, die meiner Ansicht nach vom Übel ist. Es gibt heute aner
kannte Dichter, die jede Ahnung dafür verloren haben, daß das
Wort vor allem und zunächst über ihre Höhe und ihren Wert
aussagt. Und es gibt Gelehrte, deren Sätze zu zitieren man sich
scheuen muß, ohne sie vorher stilisiert zu haben. Doch es gibt
auch von Literaten einen Schwarm, der sich allen energischen
Studien und jedem geordneten, aufschließenden Zug seiner Ge
danken überhoben, zu jeder Kritik aber gleichwohl berechtigt
glaubt. Man kann in diesem Sinne vom ewigen oder verbummel
ten Literaten sprechen, wie man von einem ewigen oder ver
bummelten Studenten spricht. Es wäre gut, wenn die Dichter und
die Gelehrten wieder mehr Literaten (Wortkünstler, Buchstaben-
fuchser) und die Literaten wieder mehr Gelehrte und Dichter
(Logiker und Wundersüchtige) würden. Die Literatur setzt vor
allem den Literaten voraus, wenn sie auch in den Dichtern und
Gelehrten ihren Bestand hat. Und die Literaturkritik sollte, wenn
Bücher sich präsentieren, vor allem den Literaten ins Auge fassen
und aus der Syntax aufs Ganze schließen. Das scheinen Gemein
plätze zu sein, sie werden aber keineswegs praktiziert. Wie wäre
sonst jene Überzahl von bedeutenden Dichtern und Professoren
vorhanden, die nicht einmal ordentlich schreiben können.