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Das Wort und das Bild.
Grundgedanke von der ,Unzulässigkeit eines Gewissenszwanges
durch staatliche Gemeinwesen' ist indessen schon auf dem Reichs
tag von Speyer zum Ausdruck gekommen. Man verwahrt sich
dagegen, in Glaubensdingen durch Mehrheitsbeschlüsse gebunden
zu sein.
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Wer weiß noch, daß Gedanken töten, daß sie unglücklich
machen, ja Verzweiflung bringen können? Und wenn man ein
ander widersprechende Gedanken in sich trägt, daß sie dann
zerreißen? Wer hat sich soviel Freiheit bewahrt, über das Morgen
nicht entscheiden zu können, weil irgendein Gedanke, von Men
schen ganz zu schweigen, den Weg kreuzen und alle Aspekte
verändern kann? Die wenigsten Denker haben nach ihren Ein
sichten zu leben versucht.
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XI. ,Man kommt beim Deutschen', sagt Nietzsche, ,beinahe wie
beim Weibe niemals auf den Grund, er hat keinen: das ist alles.
Aber damit ist man noch nicht einmal flach'.
Ich habe über dies Wort oft und lange nachgedacht.
Des Rätsels Lösung scheint mir diese zu sein: daß natürliche,
naturhafte Menschen und Nationen überhaupt kein Gesicht haben.
Daß ihnen der Geist und die Form erst ein Gesicht verleihen,
und daß in Deutschland dieses Gesicht mit dem Ablauf der Re
formation mehr und mehr zur Maske wird. Nietzsche, der das
natürliche Gesicht der Nation entdeckte, war notwendig ein großer
Psychologe, und er konnte keinen Grund des Deutschtums finden,
weil die Natur als solche eben keinen Grund hat.
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An Schickele: ,Wenn Sie Bakunin herausgeben —: darf ich
das machen? Ich glaube, niemand kann das so gut wie ich. Er
beschäftigt mich seit Jahren. In Deutschland kennt man ihn