16 nichts vorwegnehmen. Das ist eben die Geschichte des Dadaismus. Dada ist über die Dadaisten gekommen, ohne daß sie es wußten; es war eine conceptio immaculata, deren tiefer Sinn mir hierdurch erschlossen wurde. F~\ie Geschichte des Dadaismus ist in der Tat eins der interessantesten psychologischen Ereignisse der letzten fünfundzwanzig Jahre; man muß nur Augen haben zu sehen und Ohren zu hören. Dada wuchs sich unter den Händen der Herren in Zürich zu einem Lebewesen aus, das bald alle Anwesenden um Haupteslänge überragte, und dessen Existenzbedingungen sich bald nicht mehr so genau normieren ließen, als eine geschäftsmäßige Fort führung der dadaistischen Kunstrichtung das verlangte. Was eigentlich Dadaismus war, hatte man trotz der heißesten Bemühungen noch nicht herausgefunden. Tzara und Ball gründeten eine „Galerie“, in der sie dadaistische Kunst, d. h. „moderne“ Kunst, d. h. im Sinne Tzaras ungegenständliche abstrakte Kunst in Bildern ausstellten. Abstrakte Kunst war aber wie gesagt eine sehr alte Sache. Picasso halle die Perspektive als Ausdruck einer intellek tuellen und wissenden Auffassung der Welt schon vor Jahren zugunsten jener archaisierenden mathematischen Raumgestaltung aufgegeben, die er mit Bracques als Ku bismus bezeichnete. Es lag in der Luft des alternden Europa, mit einer letzten Willensanstrengung, die ihren Impuls aus der Kenntnis aller Kulturen und Kunsttechniken herleitete, zu den intuitiven Möglichkeiten zurückzukehren, von denen, wie man begriff, vor Hunderten von Jahren die Stilarten ausgegangen waren. Es ist kein Zufall, daß die Romanen die Mystik der euclidischen Geometrie, die Kegelschnitte und die mathematischen Größen, so weit sie Symbole greifbarer Körperlichkeiten waren, in ihr Programm einbezogen, während die Germanen den akademischen Begriff der Intuition als Expressionismus zum Reklameschild ihres künstlerischen Friseurladens