* 21 Francis Picabia ist mit Gabriele Buffet, der Tochter eines Pariser Deputierten verheiratet, er soll, wie mir mein guter Freund Hans Arp (den ich übrigens von allen Vorwürfen, die ich gegen die Züricher Dadaisten erhoben habe, ausnehme und dessen Arbeiten mir als Ausdruck seiner liebenswürdigen Persönlichkeit, sehr willkommen sind) mitteilt, die violetten Westen lieben und chilenische Importen rauchen, während er ein Glas „Sassaparille“ auf seine eingebildete oder seit Gene rationen vorhandene Lues trinkt. Tzara ist in Paris, Picabia ist wieder in New York, ln den Ländern der Entente, einschließlich Amerika hat Dada gesiegt. Ehe wir es sich selbst überlassen und insbesondere von Herrn Tzara Abschied nehmen, um uns deutschen Verhält nissen zuzuwenden, möchte ich noch einige Worte über die Simultaneität sagen, die den Interessenten des Da daismus bei allen dadaistischen Veranstaltungen, in allen dadaistischen Publikationen wieder begegnen wird. Simul taneität (von Marinetti in diesem Literatur-Sinne zuerst gebraucht) ist eine Abstraktion, ein Begriff für die Gleichzeitigkeit verschiedener Geschehnisse. Es setzt eine erhöhte Sensibilität für den zeitlichen Ablauf der Dinge voraus, es dreht das Nacheinander des a=b=c-d in ein a-b-c-d, es sucht das Problem des Ohrs in ein Problem des Gesichts umzuwandeln. Simultaneität ist gegen das Gewordene für das Werden. Während ich mir z. B. nacheinander bewußt werde, daß ich gestern eine alte Frau geohrfeigt und mir vor einer Stunde die Hände gewaschen habe, fällt der Schrei der Bremse einer elektrischen Straßenbahn und das Poltern des Ziegels, der vom nächsten Dache fällt, gleichzeitig in mein Ohr und mein Auge (mein äußeres oder mein inneres) richtet sich auf, um in der Gleichzeitigkeit dieser Geschehnisse einen schnellen Sinn des Lebens zu er haschen. Aus den mich gleichzeitig umgebenden Ereig nissen des Alltags, der Großstadt, des Zirkus Dada, Gepolter, Schreien, Dampfsirenen, Häuserfronten und