35 „Aber das ist doch gar nichts Neues“, werden sogleich diejenigen schreien, die von dem „Alten“ nie loskommen können. Das ist insofern etwas unerhört Neues, als zum erstenmal aus derFrage: Was ist die deutsche Kultur? (Ant wort: Dreck) die Konsequenz gezogen worden ist, nun mit allen Mitteln der Satire, des Bluffs, der Ironie, am Ende / aber auch mit Gewalt gegen diese Kultur vorzugehen. Und zwar in gemeinsamer großer Aktion. Dada ist eine deutsche bolschewistische Angelegenheit. Es muß dem Bürger die Möglichkeit genommen werden, „Kunst zu seiner Rechtfertigung zu erhandeln“. Kunst sollte über-r haupt mit schweren Prügeln belegt werden, für die Dada mit der Inbrunst seiner ganzen Beschränktheit eintritt. Die Technik des dadaistischen Feldzugs gegen die deutsche Kultur sind lange überlegt worden. Am besten ließ sich das in großen Vorstellungen arrangieren, wo gegen an gemessene Preise alles, was mit Geist, Kultur und Innerlich keit zusammenhängt, symbolisch abgeschlachtet wird. Es ist lächerlich und das Zeichen über die polizeiliche Norm hinausgehender Plattköpfigkeit, nun zu sagen, Dada (dessen tatsächliche Leistung bei ungeheuerem Erfolg nicht wegzuleugnen ist) sei „nur von negativem Wert“. Mit dem Schwindel von negativ und positiv lassen sich doch heute kaum noch die Abcschützen kommen. Die Herren, die den „Aufbau“ notwendig haben, ge hören zu den verdächtigsten Typen einerinnerlich längst bankerottierten Kaste. Daß Ruhe, Ordnung und Aufbau, das „V erständnis für eine organische Entwicklung“ nur Sym bole, Vordergründe und Vorwände für Hintern, Fett und Gemeinheit sind, hat unsere Zeit zur Genüge erfahren. Wenn die dadaistische Bewegung Nihilismus ist, so ge hört eben Nihilismus zum Leben, eine Wahrheit, die übrigens von jedem Zoologieprofessor bestätigt werden wird. Relativismus, Dadaismus, Nihilismus. Aktion, Re volution, Grammophon. Es wird einem schlecht zumute, wenn man das alles zusammenhört, was als solches (soweit es als Theorem sichtbar wird) ganz antiquiert