36 und dumm erscheint. Dada hat keinen rechthaberischen Standpunkt. Wenn ihm heute Professor Knatschke beweist, daß es schon dagewesen ist, so macht das ja weiter nichts. Ein Baum ist auch schon dagewesen und man ißt jeden Mittag, ohne daß man besonderen Ekel dabei empfindet. Diese ganze physiologische Einstellung zur Welt, die so weit geht, daß sie wie Nietzsche, der große Philologe, das tut, die Kultur vom trockenen oder flüssigen Essen abhängig macht, ist natürlich cum grano salis zu nehmen. Sie ist genau so sinnig und unsinnig wie das Gegenteil. Aber man ist ja ein Mensch und nimmt schon dadurch Partei, daß man heute Kaffee und morgen Tee trinkt. Dada sieht sein Ende voraus und lacht darüber. Der Tod ist eine durchaus dadaistische Angelegenheit, indem er nicht das Geringste besagt. Dada hat das Recht, sich selbst aufzuheben und wird davon Gebrauch machen, wenn die Zeit gekommen ist. Es wird mit durchaus sach licher Geste, gebügelten Hosen, rasiert und frisiert ins Grab steigen, nachdem es sich rechtzeitig mit dem Be erdigungsinstitut Thanatos in Verbindung gesetzt hat. Die Zeit ist nicht mehr allzufern. Wir haben sehr feine Finger spitzen und einen Kehlkopf aus Glanzpapier. Die mittel mäßigen Köpfe und die Herrschaften, die eine „Verrückt heit“ suchen, beginnen sich des Dadaismus zu bemächtigen. An allen Ecken des guten deutschen Vaterlandes bemühen sich die Literaturcliquen, mit Dada als Hintergrund, eine heroische Pose einzunehmen. Man muß das Talent haben, seinen Untergang interessant und angenehm zu machen. Am Ende ist es ja auch gleichgültig, ob die Deutschen ihren Kulturschwindel weiter machen oder nicht. Mögen sie damit unsterblich werden. Dada aber wird, wenn es hier stirbt, eines Tages auf einem anderen Planeten mit Rasseln und Kesselpauken, Topfdeckeln und Simultan gedichten den alten Gott daran erinnern, daß es noch Leute gibt, die den vollkommenen Blödsinn der Welt sehr wohl eingesehen haben.