38 nach seiner Überlegung das Leben kosten sollte. Am I. März wollten wir nämlich zu dritt in Prag in der Pro duktenbörse, die fast 2500 Personen faßt, eine Vor stellung geben, ln Prag sind nun die Verhältnisse etwas eigentümlich. Es waren uns von allen Seiten Schläge reien angedroht. Die Tschechen wollten uns verprügeln, weil wir unglücklicherweise Deutsche waren; die Deut schen hatten es sich in den Kopf gesetzt, wir wären Bolschewisten, und die Sozialisten drohten uns mit Tod und Vernichtung, weil sie uns für reaktionäre Wollüst linge hielten. Die Zeitungen hatten Wochen vor un serer Ankunft eine Dada-Monstre-Reklame gemacht und die Erwartungen konnten nicht höher gespannt werden. Man glaubte offenbar, die lebenden Kühe würden aus dem Himmel fallen — auf der Straße bildete man Kordon hinter uns, brüllte rhythmisch Dada, auf den Redaktionen zeigte man uns zuvorkommend die Revolver, mit denen man am 1. März abends unter Umständen auf uns zu schießen gedachte. Dies alles war dem Baader mit Wucht auf sein Gehirn geschlagen. Der arme Pietist hatte sich den Ausgang der Dada-Tournee so ganz anders gedacht. Mit mancherlei Geld im Beutel hoffte er zu seinen Kindern und seiner Gattin zurückzukehren, um von Dada Sparzins zu ziehen und nach vollbrachter ehe licher Pflicht, bei einer Pfeife Germania-Ersatz-Tabak, sanft seine Heldentaten beträumen zu können, jetzt sollte er aber sein teures Leben lassen, jetzt gab es die Möglichkeit, daß er seine poetische Laufbahn in einer Prager Leichenkammer endete. Alles wollte er auf sich nehmen in seiner Angst, jede Schmach wollte er ertragen, wenn ihn nur sein Vetter, der alte Judengott, mit dem er sich sooft verbrüdet hatte, diesmal noch vor der Auflösung seiner Pseudo-Barden-Individualität be wahrte. Dum vita superest, bene est. Um 8 Uhr sollte die Vorstellung in der Produktenbörse beginnen. Gegen 7 1 U Uhr frage ich Hausmann nach Baader. „Er hat mir einen Zettel hinterlassen, daß er noch einmal rüber zur