82 Trug, Schein, Kunststück Der Mensch wurde ein kindischer Demiurg, ein kindischer Schöpfer. In seinem Grössenwahn wollte er Gott und die Welt nochmals erschaffen. Eine widerliche Zänkerei entbrannte nun unter den Demiurgen und steigerte ihre Uneinigkeit bis zur Feindschaft. Jeder Maler, jeder Bildhauer wollte der erstaunlichere Schöpfer sein. An Stelle der Namenlosigkeit und der Demut traten die Berühmtheit und das Kunststück. Der Mensch hat den Sinn für die Schönheit verloren. Er ist unwirklich geworden. An Stelle von Pyramiden. Tempeln, Domen, lässt er Trug, Schein, Kunststück entstehen. Wirklichkeit Unsere Arbeiten sind Bauten aus Linien, Flächen, Formen, Farben. Sie suchen sich dem Wirklichen zu nähern. Sie hassen das Kunststück, die Eitel keit, die Nachahmung, die Seiltänzerei. Sicher gibt es Seiltänzer von unter schiedlicher Begabung. Die Kunst aber soll zur Geistigkeit, zur Wirklichkeit führen. Diese Wirklichkeit ist weder die objektive Wirklichkeit oder Realität, noch die subjektive, gedankliche Wirklichkeit, das heisst Idealität, sondern eine mystische Wirklichkeit, der gegenüber wir uns wie das Auge verhalten, von welchem das nachfolgende neu-platonische Bild spricht: “Es entfernt sich vom Licht um die Dunkelheit zu sehen, es sieht aber nicht; denn es kann die Dunkelheit nicht bei Licht sehen, indessen, ohne dieses, sieht es nicht; indem es nicht sieht, sieht es die Dunkelheit so, wie es sie natürlicherweise sehen kann.” Oben und Unten In frühen Zeiten wusste der Mensch, wo oben und unten ist, wusste, was ewig und was vergänglich ist. Der Mensch stand noch nicht auf dem Kopf. Seine Häuser hatten einen Boden, Wände und eine Decke. Die Renaissance verwandelte die Decke in einen Narrenhimmel, die Wände in Irrgärten und den Boden in das Bodenlose. Der Mensch hat den Sinn für die Wirklichkeit, das Mystische, die bestimmte Unbestimmbarkeit, die grösste Bestimmtheit verloren.