70 länger der Rrieg schläft, desto wilder erwacht er. Und diesmal hatte er lange geschlafen, tief, fast wie ein Toter; beinahe hätte man ihn begraben — und als er sich kurz, ruckweise erhob, schnell wach, mit grellem Blick, ein Land nach dem andern in Flammen setzte, da strahlte sein Angesicht in so ungeheurer Raserei, daß wir aufatmeten, als seine Mienen ins Unübersehbare wuchsen. Das haben niemals Menschen vor uns so jäh erlebt. Sein Dasein löschte nicht nur den Frieden aus, auch alles was im Frieden über ihn bestimmt und gebilligt war. Reines Menschen Wappen mehr trug er im Schild, wie sonst, wo man ihn Bismarck nennen konnte oder Napoleon oder Helena; er war keine Tat: er geschah. Vergebens schrie man jetzt Namen in den blutroten Horizont; er war in seinem tiefen Schlaf sich selber ähnlich geworden und kam in seinen eigenen Farben. Die menschlichen Rriegsgeseye hatte er vergessen. Nicht der Friede hörte auf, sondern die Gesetzlichkeit. Rriegsehre, Verträge, Gesetze der Menschlichkeit wankten und sielen. Es gab bald Tage, wo jedes Vertrauen verblich, weil niemand mehr stark genug schien, seinen entfesselten willen in menschlichen wegen zu halten. Und nun geschah das Merkwürdige, wir empfanden das völlige Aufhören von Recht und Gesetz nicht als ein Thaos; eine tiefe Genugtuung leuchtete durch unser Staunen hindurch. Ein leises fernes Frohlocken durchdrang unsere Seele; wie erwachend mit einem frischen Atemzug begrüßte sie die neue Wahrheit: es gibt nichts Festes; was von Menschenhänden gesetzt ist, es sei recht oder unrecht, kann durch Menschenhände fallen; die Menschheit achtet die Gesetze, die sie großmächtig sich auferlegt hat, selbst für nichts; der Horizont ist un verstellt und ringsum sind Wege möglich. Der Friede gerade wurde als Lhaos erkannt unter der pochenden Aufforderung, sich zu erheben, die Flügel mächtig zu regen, unter der Ahnung, daß wir in einem so freien Zustand uns leichter und herrlicher würden bewegen lernen, weltmütig, leichtgemut. Es zog uns empor, wie wenn im Orchester die braven Instrumente zum Schweigen gebracht werden, Fagott und Lello, Bässe und Flöten ihre allzu irdischen, innigen, gemüt voll - sicheren Töne verdrossen aufgeben, und nur die Hellen scharfen und durch sichtigen bleiben, allein verwegen aufsteigen, schweben, und gellend das Becken nach dem Unisono ruft. Der Wille ist aufgerufen, was brauchen wir weiter? Gewalt hat einen schöneren Schritt als Recht; weil sie frei ist. wir wehren uns heftig dagegen, daß dieser gründliche Zweifel am Lebens wert von Recht, Gesetz und Sicherheit aus einer niederen Ebene kam, ein Rück schlag ist in triebhaft ungebärdige Zustände, wir sind nicht mehr so hilflos wie unsere Väter gegen den Fluch solcher Verdächtigungen, wir wissen, daß das Schicksal den Menschen noch niemals durch eine Zeit der freien Gewalt geführt hat, daß weder wilde noch Tiere imstande sind aus dem willen zu leben. Gerade Friede und Recht haben unzählbare Ahnen in der Natur, cm ewiges Echo in der Vergangenheit. Das neue Gefühl dagegen, dessen Haß Feindschaft gegen Gesetz und Recht heißt und dessen Liebe die freie Tat ist,