vor dem Kriege war in unserem Volk eine neue religiöse Bewegung zu spüren gewesen. Eine der ersten Erscheinungen in diesem furchtbaren Krieg war, daß diese Bewegung außerordentlich an Kraft zunahm. Sie ist gänzlich formlos, geht vielleicht bei manchen in der Richtung, daß die Kirchlichkeit ge stärkt wird; bei sehr vielen aber hat sie durchaus nicht einen kirchlichen Charakter, so daß man annehmen muß, daß bei den anderen die Kirchlichkeit nicht das Erste sondern das Zweite ist, daß ein neues Gefühl sich in einer vorhandenen Form äußert. Sehr merkwürdig ist bei diesem allen das spontane Auftauchen deeHAus- drucks „Der deutsche Gott". Wir sind zu sehr gewohnt, Religion mit Kirche zu verbinden, odertweiter gefaßt, mit irgend einem mehr oder weniger festen Glaubensbekenntnis. So kann es kommen, daß man religiöse Leute für irreligiös hält, daß sie selber sich dafür halten, und daß man umgekehrt glaubt, das bloße Annehmen kirch licher Glaubenssätze und die Zugehörigkeit zu einer Kirche, noch dazu wenn dieses Annehmen aus einer Überzeugung kommt und diese Zugehörigkeit bewußt und gewollt ist, sei ein Beweis von Religion. Man sollte an die berühmte Schleiermacher'sche Definition denken, daß Religion das Gefühl der schlecht- hinigen Abhängigkeit von Gott ist; ein Gefühl also und zunächst weder ein Gedankenkomplex, noch ein willensakt; und sollte bedenken, daß „Gott" für jeden Menschen etwas Anderes ist, wie für jeden Menschen Welt und Ich etwas Anderes ist, daß ich Gott nicht anders definieren kann als das, von dem ich mich schlechthin abhängig fühle. So gebrauchen das Wort auch unsere heiligen Schriften, wenn sie etwa sagen: „denen das Geld ihr Gott ist". was die Menschen heute bei uns erleben, das schwebt noch in der Welt des Gefühls, auch bei den Kirchengläubigen; die Idee des „Deutschen Gottes" aber versucht bereits eine verstandesmäßige Konstruierung und bahnt einen Übergang zum willen. Mit andern Worten: hier will eine neue Religion werden. Ein solches Ringen braucht ja keinen Erfolg zu haben; es ist oft ergebnislos gewesen; es kann auch den Erfolg haben, daß die alten Formen, unsere Kirchen, mit neuer religiöser Inbrunst erfüllt werden und einen neuen Inhalt bekommen, ohne daß den Menschen klar wird: wir haben eine neue Religion. So war zum Beispiel der Pietismus eine neue Religion gegenüber der alten protestantischen Orthodoxie, und die moderne protestantische Orthodoxie gegenüber dem Ratio nalismus. Aber soweit ich verfolgen kann, ist doch diese Betonung des Nationalen etwas ganz Neues, und jedenfalls ist es etwas, das dem Geist des bisherigen Christentums widerspricht, denn der ist übernational.