Der Gedanke des deutschen Gottes müßte aber nun sehr nahe liegen, wenn ein urteilsfähiger Protestant, der sich nicht durch die Schale irremachen läßt, den englischen Protestantismus, der offiziellen Rirchen wie der Sekten, betrachtet, so muß er doch sagen, daß ein deutscher Ratholik ibm verwandter ist; denn die englische Religion ist nichts wie eine Versicherung zu möglichst niedriger Prämie auf persönliches Wohlergehen in diesem und jenem Leben, genau so wie es kindlich im Dekalog ausgedrückt ist: „auf daß es dir wohlergehe und du lange lebest auf Erden". Und wenn ein deutscher Ratholik sich etwa den italienischen ^Katholizismus betrachtet, so muß er zugeben, daß ihm der deutsche Protestant im wesentlichen Punkt doch näher steht; denn der italienische Katholizismus ist nichts als ein NaivesHeidentum; er ist eine Organisation, vermittelst deren sich der Mensch mit einer großen Macht abfindet. Für uns Deutsche aller Bekennt nisse ist Gott das, dem wir uns vereinigen, das wir werden müssen. Deshalb steht für uns praktisch immer Christus im Mittelpunkt unseres religiösen Fühlens, wie bei den Engländern Gott Vater und bei den Italienern die Madonna. Dadurch, daß Deutschland in zwei Konfessionen geteilt ist, hat man bei uns das Konfessionelle, Trennende immer besonders scharf betont; und in völliger Verkennung der Aufgaben der Religion haben die Konfessionen sich sogar be- bekämpft. Heute wird es uns schwer, zu verstehen, weshalb Luther und Zwingli sich nicht einigen konnten, und wir sind geneigt, den einzigen Grund in theo logischer Starrköpfigkeit zu suchen; sollte nicht eine Zeit möglich sein, wo uns klar würde, wie unbedeutend eigentlich das Trennende zwischen unserem Pro testantismus und unserem Katholizismus ist; daß selbst der Ultramonranismus nur dann eine Gefahr ist, wenn er uns als Gefahr erscheint? wir erleben jetzt, wie in der muhammedanischen Welt der Gegensatz zwischen Schiiten und Sun niten vergessen wird, weil dem Islam große Aufgaben gestellt werden; sollte nicht auch der doch nicht tiefere Gegensatz in der christlichen Welt zu vergessen sein? wir haben das Trennende vielleicht nur so hoch bewertet, weil wir das Gemeinsame nicht sahen, weil wir es an einer anderen Stelle suchten, als wo es hingehört. wenn Religionen lebendig sind, dann bilden sie sich beständig weiter und bilden sich um zu Neuem. Aber diese Umbildung und Weiterbildung wird ihnen nicht genügend bewußt. Man kann sich die Sache vielleicht so klar machen. Die lebendige Religion, das reine Gefühl, ist formlos; so lange sie formlos ist, weiß sie nichts von sich, versteht sich oft falsch; sie sehnt sich deshalb nach einem gedanklichen, poetischen oder willensmäßigen Ausdruck. In dieser Sehn sucht ergreift sie meistens vorhandene Formen älterer Religionen, zunächst nur SZ