147 Erschütterung aller gewohnten und berechenbaren Verhältnisse mit sich gebracht haben, wir verhüten nur dann das Verwachsen der verstörten Beziehungen zu neuer Ordnung, wenn wir die Lücke als Durchfahrt für den Störer offen halten; so marschiert uns Jetzigen der Krieg als Passant durch das aufgebrochene Gehege; es bleibt Frieden zu beiden Seiten und hält der erhofften Rückkehr der Friedensgegenwart die Mitte offen. Nun fragt es sich, ob die Erfahrung des Kriegs das menschliche Wesen verändern konnte. Nach dem Ausgeführten ist dies im wesentlichen nicht an zunehmen, denn in jede Erfahrung wird der Mensch sich selbst hineinrichten. Jene, denen die Fähigkeit sich selbst zu wandeln als Wesensbestandteil bereits in die wiege gelegt ist, kann eine verlorene Schlacht nicht anders umgestalten, als ein verlorenes Blatt im wind, dem das Gefühl zufällig gefolgt war; sie sind nicht durch die Erfahrung, sondern von vornherein verwandelt, die Um stände sind nur die Schnur, daran sie sich entlang tasten, und nicht von ihnen ist die Rede. Diejenigen aber, denen die Erfahrung nur eine quantitative Vermehrung des bisherigen Bestandes ist, ändern mit der Situation die darauf eingestellte Wesensrichtung. was wir vom menschlichen Wesen im allgemeinen annehmen, ist bei deut scher Art besonders zutreffend. Sicher werden temperamentvollere Völker schneller in ihren weniger zähen wurzeln gelockert: der Deutsche ist eine schwere Masse, die, aufgepeitscht, sich für einen Augenblick furchtbar bäumt, dann aber in die nach außen träg scheinende Ruhe zurückdrängt. 1979 gibt uns Recht, wir kennen alre Veteranen, welche die auch jetzt sich ereignenden wefensveränderungen durchgemacht haben; sie sind heute ihren Mitbürgern gleich. Ihre Bräute von damals sind heute ihren niemals aus der kleinen Sicherheit gerissenen Mitbürgerinnen gleich. Die Unfähigkeit der Umstände den Menschen dauernd über sein ihm ge stecktes Maß hinauszutreiben, ist die Gewäbr langen nationalen Lebens. Ein langes Bestehen ist die erste Bedingung ausgedehnter Möglichkeiten, es ist das große Feld, auf dem eine Generation nach der anderen ihre Scholle langsam ergreift, festhält, verteidigt, immer nur dieselbe durchackert und der folgenden feindlich ist. Dadurch wird langsam das ganze Feld gründlich fein durch gebildet, und kein in die Grenzen der Bearbeitung endlich hereingerungenes Häuflein neuen Bodens ist auf Sand gebaut, wo jeder einzelne sein geringes Erbteil festhält, ist der Weltenhaushalt behindert Luftsprünge zu machen und nur das nötig Gewordene setzt sich durch; der Ueberschuß neugestaltender Kräfte jedoch wird zu keinem nutzlosen Spiel ins Hierhin und Dorthin: scharf