212 te Verbindung von Krieg und Kunst ist ein Irrtum. Krieg ist Geschehnis. Kunst aber ist in irgend einer Form auf Zuständliches gewiesen. Dies ist so wahr, daß das größte Kriegsgedicht, die Ilias, das langsame Werk einer über Ge schlechter ausgedehnten Rollektivpoesie wurde und die zuständlich breite Form des Epos erhielt. Krieg ist Bewegung. Kunst aber geht in irgend einer Art notwendig darauf aus, Leben, wie immer es sei, als etwas Landschaftliches zu betrachten. Krieg übertäubt in seiner letzten Steige rung jede Empfindung. Kunst besänftigt in ihrem psychologischsten Augenblick — und schließlich besteht sie nur aus psychologischen Augenblicken — selbst das ekstatische Rraftgefühl zu andächtiger Innigkeit; der dionysische Ausbruch zeugen der Gewalt wird Stilleben und gestaltet sich, gestaltet die Welt in unerklär licher Ueberhobenheit zu einem auf irgend eine weise besonnenen Bild. werden Krieg und Kunst in eine zu unmittelbare Verbindung gebracht, so werden sie polar. Sind sie in dieser Nähe polar, weshalb drängt man sie? Man verbindet sie aus einer gewissen moralischen Schwäche oder Empfind samkeit, die indes sehr menschlich ist. Man diente der Form. Sie diente wieder ihren Urhebern. Sie gedieh zu einer immer reineren Abstraktion. Alles was Substanz heißen konnte, blieb jen seits: Religion, Politik, Philosophie, Leben überhaupt und selbst sichtbare Natur. Die Kunst vergeistigte sich zu einer restlos zweckfreien formalen Spekulation. Da rührte der Krieg furchtbar die inhaltlichsten Fragen auf. Es war nur natürlich, daß in dieser Erschütterung jeder erschrocken seine persönlichen Ueberlieferungen maß und es versuchte, diese Ueberlieferungen an dem neuen Zustand des Lebens zu bewähren, den der Krieg brachte. Mit anderen Worten: auch der Künstler empfand nun die tiefe menschliche Verpflichtung zur Politik, die er, namentlich wenn er ein Deutscher war, bis dahin in neunhundertneun undneunzig Fällen von tausend selbstgefällig geleugnet hatte. Aber je rascher diese empfundene Verpflichtung zur Politik sich nun Ln dichtenden Bekenntnissen äußerte, desto größere Verwirrung richtete sie gleichmäßig in der Kunst und in der Politik an, und innerhalb wie außerhalb der Mauern wurde damit mehr gesündigt als gefördert. Die Künstler hatten bis zum Augenblick keine politische Tradition. Sie konnten also von dieser Seite aus nicht wissen, wie leicht Kunst und Krieg und Kunst und Politik polar werden, wenn man sie zu unmittelbar aneinander annähert. Die Künstler hatten jedoch künstlerische Ueberlieferungen. Von dieser Seite mußten sie nun wissen, daß das Verhältnis der Kunst zur Unmittelbarkeit des Erlebens ein Verhältnis der Spannung ist und daß Spannung Abstand bedeutet. Doch siehe: auch hier fehlte die Ueberlieferung — oder sie setzte aus. Das ist menschlich, wie sollte sie nicht vor der ungeheuren Gegenständlichkeit des Kriegs verschwin den und ihr Selbstbewußtsein verleugnen? Zuweilen mochte sie indes auch bloß deshalb verschwinden, weil sie nichts taugte — vorher wie nachher.