2 H Die gütige Erfahrung ist jetzt der Krieg — ganz einerlei, wie wir ihn beurteilen. Der Instinkt, der die Künstler wie jeden auch nur des leisesten kollektivistischen Gefühls fähigen Menschen antrieb, den Krieg auf irgend eine weise im Innersten zu verarbeiten, war richtig, obwohl er auch beirrte. Die Künstler wurden vom politischen Zustand ergriffen, und um so mehr, je ober flächlicher sie ihn früher geleugnet hatten. Das ist erfreulich. Nur sollten sie — hier liegt die notwendige Unterscheidung — diesen Zustand nicht ohne weiteres mit den Mitteln der Kunst formuliert haben, sondern mit den Mitteln der Politik. Sie sollten es gelernt haben, auf die bequeme Anziehung der ihnen zunächst liegenden Mittel zu verzichten, und sollten es versucht haben, die ihnen ferner liegenden Mittel der politischen Erfahrung zu ergreifen. Der Fehler lag in der allzu eilfertigen Schutzanpassung der Formmittel an den Krieg: beispielsweise in der jähen Gewalttätigkeit der sonst so Gepflegten. Aber so billig ist das Leben nicht. In dieser Nähe sind Krieg und Kunst polar. Sie können nur allmählich und aus Entfernungen aufeinander bezogen werden, nicht aber von gestern auf heute und in dem engen Raum eines sub jektiven Bewußtseins, das politisch traditionslos und leider auch zuweilen formal unzuverlässig ist. Dies ist das Elend, daß bisher geleugnet wurde, ein Mensch, der Künstler ist, könne politisch sein. Aus diesem miserablen Dogma spricht ein geradezu berufsmäßiges Verhältnis zur Kunst. Ist es berufsmäßig, so ist es banausisch — und zwar just als Verhältnis zur Kunst, nicht etwa bloß nach der Seite der Politik. So nahmen wenigstens die Griechen diese Angelegenheit, wir pflegen zu vergessen, daß in Athen die Kunst in ihrem edelsten Verhältnis ein Szepter des Krieges und der Politik war. wir aber sollen im Ernst für alle Zeiten so herab gekommen sein, daß wir den Künstler für den Typus des absoluten Menschen, für das köstliche Widerspiel des Banausen halten, weil er von Politik nichts versteht und sich sogar einbildet, vom Gesellschaftlichen nicht einmal objektiv berührt zu sein? Und wir sollen ihn bewundern, wenn nun gerade er eines Tages dem Eindruck des Krieges so wenig gewachsen ist, daß seine Kunst nahezu politisch tendenziös wird? Denn sie wurde es trotz aller Verwahrungen: das künstlerische Kostüm deckt den freilich mageren politischen willen nur dürftig. Die politische Absicht des sonst so reinen Künstlers vermischte den gegen ständlichen und den formalen Affekt mit erschreckender Plötzlichkeit. Dies war wertlos gegenüber der Politik und wertlos gegenüber der Kunst. Wohl aber kann der Künstler wie jeder wahrhaft Lebende in seinem einfachen menschlichen und gesellschaftlichen Verhältnis den politischen Instinkt pflegen. Ist die beab sichtigte Vermischung des politischen mit dem Künstlerischen in der Politik wie in der Kunst verhängnisvoll, so ist es gleichwohl das Gute, wenn ein stetiger Reichtum des Menschen — auch ein politischer — mit Kraft und Fülle den Künstler trägt, dem Kunst nichts ist als die erhabenste Resignation gegenüber dem gesamten Leben. Er entmaterialisiert sein Leben. Er hebt es auch über