wenige haben ihn recht gekannt, so viele ihn liebten. Aber die einmal einen Blick in seine Seele taten, wissen, wie schwer, ja wie gottesfürchtig sie war und wie ganz sie sich auf Großes und Dauerndes gerichtet hielt, während der sicht bare Mensch die alltäglichen und banalen Ausgelassenheiten einer sich zu sehr fühlenden und doch der künstlerischen Verpflichtung zu selten tief bewußten Kunststadt mitmachte. An dem trüben und kühlen Morgen, an dem uns die Nachricht von seinem Tod vor den Kopf traf wie ein Hieb, gingen wir, des Wortes unfähig, in seinem Atelier umher. Der Himmel war wie im November. Im fahlen Licht standen schräg geschichtet und einzeln an wänden und Staffeleien die Arbeiten der letzten Zeit: lauter Entwürfe, die mit großer Gesinnung beschwert sind. Dinge von einer feierlichen, über Eklektisches hinauswachsenden Latinität der Malerei und der Form — der Form überhaupt, denn so sehr sie gemalt sind, so unzureichend werden ihnen gegenüber Begriffe wie Malerei, weil sie, mißt man ihren allzuleicht bloß technischen oder geschmäcklerischen Inhalt an dem willen dieser Bilder, auf irgend eine weise zu speziell und zu untergeordnet erscheinen. Latinität der Form — das Wort schiebt sich ein wie von ungefähr, aber es besagt wesentliches. Dem Toten war der einmal gewordene Krieg wie eine Herausforderung jener körperlichen Rasse, die bei ihm so trefflich geraten war, und mit Selbst verständlichkeit entäußerte er, der als Künstler in Paris das wichtigste erfahren hatte, sich nicht etwa bloß alles empfindsamen Hinschauens auf Französisches, sondern, da es um Unvermeidliches ging, auch aller sentimen talen Hemmungen und jeder unzeitgemäßen Friedfertigkeit des Gefühls. Der vergangene Sommer zerriß ihn: der Krieg sprengte den in Frankreich gewor denen Maler von dem deutschen Soldaten los und schleuderte den Künstler so weithin fort, daß nur der Soldat blieb. Diese Katastrophe schien dem Mann so natürlich, daß er nicht ein einziges Mal über sie klagte — vielleicht schon deshalb, weil der Künstler Formgefühl für Unvermeidliches besaß. An dem Künstler hat dies Erlebnis nichts geändert. Er war, was er war. Er blieb, wie ihn Entwicklung, wie ihn zumal Paris gestaltet hatte. Für ihn wie für uns war es nie ein Zweifel, daß die französische Malerei sein tiefstes künstlerisches Gewissen geweckt und schließlich seine täglichen Maß stäbe gegeben hat. Weisgerber ist ohne sein Verhältnis zu der Malerei, die sich etwa zwischen Manet und Lezanne vollzog, überhaupt nicht zu denken, was er der Stuckschule dankte, war das örtlich Herkömmliche. Man würde einigermaßen lästern, wollte man diesem Örtlichen den erhabenen Namen einer nationalen deutschen Kunst gönnen, wäre eine nationale Kunst von ausschließlichem Rang in den letzten Jahrzehnten überhaupt bei uns gewesen, so hätte vor allen anderen weisgerber sich von ihr halten lassen. Denn sein Herz schlug heimatwärts. Aber sie war nicht bei uns, und darum mußte er die Ziele suchen, wo sie von der Gunst der Zeiten und der Umstände höher gesteckt waren.