Er wurde aber nicht ein manierierter Nachahmer. Er war so mit eigenen Gaben gesättigt, daß er trotz Frankreich über sich und sein deutsches Naturell nicht hinauskommen konnte und nicht hinauszukommen brauchte. Seine Bilder bleiben sein Eigentum und damit das Eigentum seiner Nation. Vielleicht, daß der weinfrohe Rheinpfälzer vor vielen der Rechte war, zwischen französischer Form und deutschem Instinkt eine Brücke zu schlagen. wir sprechen von französischer Malerei. Allein seltsam: was hat sie im Grund mit dem Frankreich des Augenblicks zu tun? Merkwürdig, aber dringend ist das Gefühl, daß auch diese Malerei nun Geschichte ist. Sie gehört einem Vergangenen Frankreich an. Nicht erst der Krieg hat den Abschnitt gemacht. Schon in den letzten Jahren hatte diese Malerei den kostbaren Altersglanz der Klassik. Darum berührt der Krieg sie kaum. Auch das Atelier unseres Toten steht nun wie ein Torso aus der Ver gangenheit. Dies alles ist abgeschlossen. was würde er getan haben, wenn er zurückgekommen wäre? So sehr Soldat und Künstler geschieden waren, so sicher waren sie schließ lich Seiten der nämlichen Persönlichkeit. Man kann denken, daß er eines Tages wieder in dies Atelier getreten wäre, wie er es verließ, und daß er fortgemalt hätte, wie er zuletzt, noch einen Tag, bevor er ins Feld ging, begonnen hatte. Rann man es denken? Es wäre nicht minder möglich, daß auch der Künstler von nun ab geteilt gewesen wäre und daß er ganz Neues angefangen hätte. Nicht etwa, weil wir um jeden preis das Fremde liebten, wie gehässige Dummheit oft schmähte, ehrten wir — ehrte auch Weisgerber — französische Kunst, sondern weil wir von nationaler Kunst einen so hohen Begriff hatten, daß uns die zeitgenössischen Formen, die daheim unter diesem erhabenen Namen gingen, unmöglich genügen konnten. So dachte Weisgerber, den keiner des Mangels an Nationalität bezichtigen könnte, wenn er nun wiedergekehrt wäre und ein in jedem materiellen und geistigen Sinn festeres Deutschland gefunden hätte, wäre dann nicht der Augenblick glaubhaft gewesen, in dem seine Kunst ein Ideal der völligen Freiheit und des unbedingten Arbeiten- aus eigenstem Reichtum gesucht und erfüllt haben würde? Er verachtete von Herzen die malenden und kritisierenden Nutznießer der nationalen Konjunktur, die nicht ahnen, was Kunst ist. Seine letzten Briefe bezeugen es. Aber seineHoffnung war die zwangloseVollendung einer Form, die der unwillkürliche Ausdruck eines reichen deutschen Daseins wäre, wir wissen kaum, was war. Viel weniger wissen wir, was geworden wäre. Aber wenn wir nur einigermaßen recht vermuten, dann siel dieser so kräftige wie geschmeidige Mann, dessen letztes Geheimnis — trotz aller Ent schlossenheit, trotz aller Heiterkeit und trotz des Glücks, das ihn strahlend um gab — ein tief sentimentales Lebensgefühl war, nicht nur im Krieg, sondern dann fiel er auch auf dem Plan der deutschen Kunst. Bitterkeit erfüllt auf lange Zeit die Seele, wir harren der Zukunft. Immer bewahren wir sein Gedächtnis. Wilhelm Hausenstein