240 über dem Leipziger Play hängenden Zeppelinkreuzers. Der folgende Tag wirft ihn nach Leipzig in schwärmender Geschäftigkeit, der kommende nach Weimar. In der Eisenbahn dann überstreicht er mit einem nachdenklichen Blick den über mäßigen Anprall in so kurze Frist gespannter Erinnerungen, während sich unter seinem willen die Erlebnisse mählich zu ordnen beginnen und langsam anfangen wie beladene Äcker vor ihm herzuschwanken, wirft sich über all den Frieden wie ein Faustschlag riesige Masse, und stemmt sich gegen den Rnäuel zersplitternder Erlebnisse und Dinge die brutale Brust des Wormser Doms. Er fühlt wie das Bild ihn ergreift, in sich zieht und wie seine ganze Empfindungs möglichkeit sich über die verdrängten Reste der Erlebnisse der letzten Tage nach diesem aufgetauchten Phantom hin stürmisch und fieberhaft bewegt. Als der Wanderer aber auf der alten Mainbeücke in Frankfurt stand, mit noch nicht wieder völlig geglättetem Seelenspiegel, aber doch im Begriff dahin zu kommen, und dort lange stehend die Süßigkeit des Mövenabends genoß, wußte er kaum mehr etwas von diesem brutalen Ereignis, suchte nur wieder Gleichgewicht zu erhalten und genoß unbekümmert reine Gegenwart und ahnte dunkel allein, daß ihn vielleicht heute, vielleicht in einer Woche das wie ein Amokläufer er scheinende Bild des Wormser Domes wohl wieder aus Leben, Traum, Beginn und Rausch herauszerren werde. So, Freunde, ist uns der Rrieg mit den Monaten geworden, denen es bestimmt ist, im Lande zu sein. So ist uns der Rrieg ein fabelhaftes Erlebnis geworden, das irgendwo ungeheuer an den Grenzen des Reiches brennt, uns aber schwingt das gleichbleibende Leben wie jeden Organismus in seinen weiter laufenden Rhythmus hinein, wir werden zwischen Erleben und Lebenmüssen wie von rasenden Pferden auseinandergerissen. Raum haben wir uns dem anonymen Leben in Arbeit und Geist hingegeben, schnellt sich der schneidende Tubaton des Geschehens draußen grell gegen uns, wir strecken alle Nerven nach ihm, bäumen uns im wütendsten Erleben, dann verklingt er, wir bleiben restlos allein und beginnen von neuem den Rreuzgang des allgemeinen Tuns. Aber eh wir wieder Wurzel faßten, hebt uns ein rasendes Ereignis wieder über und aus uns selbst heraus. Dies alles liegt sehr entfernt von den furchtbaren Fragen dieses Rrieges und gerade soweit vom Enthusiastischen wie vom pazifistischen, es soll keine Meinung sein und bedeutet weder Schilderung noch Erledigung. Es weist über oder mehr noch unter allen Problemen auf einen Zustand und eine Erscheinung, die zwischen ihnen allen hinschwankt. Ja, so schwanken wir alle, zwiespältig und ohne Beendigung hin und hergerissen im Uferlosen, denen der Geist täglich geteilt ist. Es ist wahr, es mag ein geringer Schmerz sein und eine kleine Grausamkeit, zieht man das Unendliche jener vermiedenen Fragen heran zum Maßstab. Es mag ein geringer Schmerz sein, aber er reißt uns an allen Höllen — und sei es nur an ihren Peripherien — gnadenlos vorbei. Doch es heißt mutig zu sein und ein unerschütterliches Herz zu haben. Rafimir Edschmid