Wesen die Gestalten, wie in dem lS<)7 aufgeführten Kuriosum „Sphinx und Strohmann", birgt sich im geistigen Spuk, in der burlesken Verzerrung immer noch pippahaft-tiefes. In „Mörderhoffnung der Frauen" naht uns wede- kinds Jack der Auffchliyer als Menschenauffchlitzer, als „Held" schlechthin, als Zertrümmerer der Schwachen. Ich nenne da wedekind nur als Anrainer, denn Kokoschka konzentrierte, preßte hier, in herber, eigenwilliger Sprache Worte und Gedanken eigenster Fechsung für ein künftiges Rapidtheater szenisch zusammen. Er ist, wie wedekind, in letzter Linie ein arger Moralist — also wird sein „Schauspiel" von der im Krieg und Frieden gleich unver ständigen wiener Zensur verboten. Die Aufführung eines ideell und dichterisch hochstehenden Werkes ward aus Sittlichkeitsgründen inhibiert, es war gewiß „unsittlich", daß eine in ein Laken gehüllte Frau darin keusch sprach: „Mann im Mond — dreh' dich um, schau nicht her." Hoffentlich war dieses Verbot letzter Nachhall einer Verfolgung durch Kritik und Publikum — die Zensur repräsentiert beides am dümmsten —, deren sich der nun siebenundzwanzigjährige Kokoschka von Anbeginn zu erfreuen hatte. Schon die Schulbehörden konnten ihn, anfangs den Schüler, später den „aka demischen Lehrer Oskar Kokoschka nicht leiden. Grund zur Furcht hatten ja hinlänglich alle Philister, die in Wien das Malhandwerk systematisch ausüben, indem sie abwechselnd Straßentypen, Venezianerinnen und ähnliche Stilleben in einer ewig gleich unbewegten weise malen. Kokoschka hat mit diesen Durchschnittspinseln nicht einmal die Farbe gemein, welche die Farblosigkeit der Reproduktionen zu zeigen vermag. Er ist kein Fleischhacker, sondern ein Seelenaufschlitzer, er legt, Hand und Kopf malend, in einer gespenstischen weise das geistige Skelett der von ihm por trätierten bloß. Diese Art von psychotomie läßt sich am besten angesichts der Kokoschkamappe studieren, die der Verlag des „Sturm" (Berlin) jüngst herausgab. Mit wenigen, aber desto charakteristischeren Strichen sind da beispielsweise Adolf Loos, Herwarth Waiden, Paul Scheerbart, Richard Dehmel, Alfred Kerr, die als Gouvernante aufgefaßte Ivette Guilbert dem ewigen Leben und Tode des Erkanntseins geweiht! Andere der zwanzig Zeichnungen dieses verheißungs vollsten unter den deutschen Malern mögen dem Nichtkenner Vexierbilder scheinen, sie sind Wunder graphischer Charakteristik. In ein dunkles Land führen uns die acht Lithographien, die Oskar Kokoschka einer prächtig gedruck ten Luxusausgabe, der herrlichen „Chinesischen Mauer" des Karl Kraus (Kurt wolff, Leipzig) beigab. Hier wird und wirkt jede Bewegung geheimnis voller, alles ist tiefer im Metaphysischen verkettet, und in einem Format, wie es etwa die (Quadern der chinesischen Mauern besitzen dürften, ist hier auf gezeichnet, was als ebenbürtige Illustration prophetisch-apokalyptischer Ur- worte gelten wird. Das Weib auf dem Menschentier, Hundeschnauzen, Chinesen- mäuler drängen sich uns aus der Nacht der Zukunft auf: hinter ihrer wand, die Europas Liebende verbirgt, lauert schon der chinesische Bombenwerfer.