227 auf dem ein madonnenartiges Frauengebilde durch drei schwertartig stilisierte Säbel die Wundmale ihres Sohnes, eines gefallenen Kriegers, empfängt, so wirkt dieses Rundbild zwar im technischen Sinne als altmeistcrlich nachempfunden; zugleich aber fühlen wir, wie sich das Erlebnis in dem Künstler nur eben so und nicht anders verdichten konnte. Noch stärker wird in uns die Erinnerung an die typischen Grablegungsdarstellungen aus der Kunstgeschichte wach, wenn wir jenes Blatt betrachten, auf dem ein sterbender blutjunger Soldat von drei Frauen und einem Kameraden sanft zu Boden gebreitet wird. Trüge nicht der Kamerad den Helm, schimmerte nicht auf seinem Arm das Kote Kreuz, wir würden kaum an eine Rriegsfzene denken. Mit bewundernswerter Knappheit variiert Geiger in Bewegung und Ausdruck den tiefen, wortlosen Schmerz der Leidtragenden und bewährt sich auch in dieser edlen Kunst der beredten Kargheit des Ausdrucks als ein echt deutscher Künstler. Das tritt noch ganz besonders auf jenem Blatt hervor, auf dem eine Gruppe schlafender oder halbschlafendcr Franzosen mit impressionistischer Virtuosität gesehen ist. Je schwieriger die Bewegungsphase ist, desto mehr reizt sie unseren Künstler, desto genauer berechnet er. Niemals läßt Geiger den Schauer des Kriegsodems an sich vorüberwehen, sondern er umspannt das Erlebnis mit unerbittlicher Seelenschärfe. Darum mächte ich auch in den Sturmszenen den größten wert dieser Mappe erblicken. Man sieht es schon den gespannten Mienen der um die deutsche Eiche der Titelvignette versammelten Krieger an, daß sie zu stürmen wissen I wie dann aber (auf einem besonders liebevoll ausgestalteten Blatt) zwei förmlich wie überlebensgroß erscheinende Krieger barhäuptig, Seele und Leib ganz in Schlacht und Wut gehüllt, vor stürmen, wie das fahle, weißliche Licht des Pulverdampfes, in das sich das Aufflackern der Schrapnells gleißend zu mengen scheint, die Rriegerköpfe verklärt, das ist von einem Erlebniskünstler überzeugend gestaltet. „Tod und Sieg!" — dieser furchtbare Ruf des Krieges erbraust wie eine dröhnende Posaunenfanfare aus Geigers Heldendarstellung hervor! Mit wilder Ekstase hat Geiger das Sichheben und Senken der verröchelnden Menschenbrust nacherlebt; genial ist hier besonders der Gedanke, gloriolenartig von dem dahinwelkenden Helden leibe Schraffierungen ausgehen zu lassen, die in den Hintergrund übergehen, wo des Gefallenen Kameraden, die mit wundervoller Lebendigkeit in der Be wegung des Sturmangriffs angedeutet sind, den Kampf weiterführen. Es ist die Vision „Durch Kampf zum Sieg!", diese Vision jedes sterbenden deutschen Helden, die wie ein mächtig hallender Unterton durch diese Mappe, durch diese prächtige Schöpfung eines gut deutschen Künstlers mitklingt und noch lange brausend in uns nachtönt l Arthur Neißer