49 Kubiu <D* Kunst Kubins kommt aus den Aerveu. Das Wort „Aerveu" steht hier keineswegs bloß in jenem ein wenig unverbindlichen Sinn von Verfeinerung, in dem es als auszeichnende Parole beim Künstler rumeist gebraucht wird. Ls bedeutet nicht nur ein überempfindliches Seusorium. Ls steht hier auch geradezu in jenem extremen Sinn» den es im Mund des Arztes hat. Ls steht aljo gewissermaßen in einem höchst unglücklichen Sinn. Aber nun geschieht das Wunder, zu deffeu Erklärung kein Doktor berufen ist. Was in der Medizin pathologisch genannt ist, wird in der Kunst Kubins zur Leidenschaft. Lin Zustand, der wissenschaftlich als Neurasthenie bezeichnet ist, wird zur Grund lage einer Produktion, die durch Wert und Umfang in Erstaunen fetzt. Lr wird eine Quelle positiver Leistung, positiver Kraft. So ist dieser Mensch, daß ihn die Tragikomödie seiner Aerveu in den Verhältnissen des gewöhuücheu Lebens beirrt und ihn gegenüber den Anforde rungen des herzlos technischen Betriebs» den unser Sahrhuudert Dasein nennt» unzulänglich macht. Schon das Kind Kubiu ist durch Aerveu desorientiert. Verwirrt und böse versagt es gegenüber den Begriffen von Artigkeit und Schicklichkeit, die von der Zamilie gehegt werden» und gegenüber der Schule» die er als durchgefallener Lateinfchüler verläßt. Desorientiert steht der Wachsende und der Manu dem andern Geschlecht gegenüber, das chm die Liebllugskreatur des Leufels wird und Leufelskreatur um so viel mehr, je begehrenswerter es ihm erscheint. Als Soldat erlebt er einen fürchterlichen Lollapsus des Geistes und des Körpers. Gepeinigt flöchtet er aus dem Leben der Stadt in die idgllifche Schönheit des oberösterreichifcheu Douaulaudes. 2hu beirrt durch 2ahre die Bernfsfrage, die er nach hundert Seiten zu lösen sucht — in einem besonders desperaten Augenblick gar als Photograph. Endlich beirrt ihn die Knust selbst» der er von allen Seiten nahezukommen versucht; denn er liebt die Geige, auf der er spielt» so sehr wie den Roman, den er schreibt — jenen irrsinnigen, qualvoll-skurrilen Limbus, den er »chie andere Seite- nennt; und so sehr als Geige und Buch Üebt er die Zeichnung. Doch selbst seine Zeichnung peinigt ihn. 2hu peinigt ihr übersinnlicher Gegenstand und ihre magische Zormaufgabe. Er kaun sich den Zorderuugen der Zeichnung kaum aupasieu. 2m Freihandzeichnen ist der Schüler ungenügend. 2ahre hindurch zeichnet der Künstler Blätter» deren knabenhaft linkische Linie