-7 Herr Adrian. Aus dem Tagebuch eines Neutralen. 24. 2uni ^Ileiue Pension steht io der Reihe, die einen so heileren Eindruck macht. Alan könnte meinen» mau sei in einem Seebad der Normandie oder Belgiens; da schmiegt stch auch Haus au Haus» alle gleich leicht, sommerlich, aus Hol; und Glas erbaut und willig der Kurve folgend» die der Straße eine elegante und zierliche Perspektive verleiht. Rechts vom Hanseingang ist ein Lesezimmer, links der Speisesaal. Beide Räume stud von der Straße nur durch Spiegelscheiben getrennt, die bis zum Boden reichen. Der Speisesaal ist nicht groß, ein paar sorgfältig gedeckte Tische, leicht geschweifte Stuhle; die Decke ist mit einem Gittermuster aus gebrannter Terrakotta überspannen, wie in Rokokosäleu, ihre Zarben sind hellblau und Hellrosa. Diese überreiche Ornamentik ist doch leicht und kokett, und sie ist weit entfernt von der programmatischen Echtheit Berliner Speisehäuser; schmale lange Spiegel gliedern die Wände. Danach stieg ich wieder zum Wald hinauf. Plötzlich sah ich, daß der Weg von zwei Ameiseuheerfiraßeu überquert wurde. 2n zwei parallelen Säulen zogen hunderttausend Tiere über Land. 2ch suchte vorsichtig den Zuß aufzusetzen, aber es gelang mir wohl nicht, wie dem jungen Burschen im Alärcheu, ihnen aus dem Wege zu gehen und keine einzige zu töten. Gleich nachher setzte ich mich auf eine Bank und beobachtete, wie ein alter Herr, der den schönsten Weißkopf besaß» das Problem löste. Und siehe, er war mitleidiger als ich. Trotzdem der Weg von Doruengestrüpp und einem Stacheldraht eingezäunt war, besaun er sich keinen Augenblick und opferte seinen schwarzen Alpakarock und seine gelben Leinenhosen den Dornen. Die Ameisen wußten ihm keinen Dank» aber es genügte ihm, menschlich gewesen zu sein. Er setzte sich zu mir auf die Bank und ich machte ihm ein Kompliment über sein gutes Herz. Er antwortete mit einer außerordentlichen, höflichen Wurde, die mich frappierte. Ein alter französischer Herr hätte diese Haltung haben können; auch sein Bart hat im Schnitt etwas Französisches. 2n seinen Händen hielt er einen Stock mit schmalem Elfeubeinabschluß, einen Stock ohne Krücke, den man auf dem Rücken zwischen den Händen trägt. Seine Krawatte war blühend weiß und sorgfältig geschlungen. 25. 2uui Aach der Suppe trat der Wirt heran» legte die Hand auf den Stuhl des alten Herrn und sagte in seinem Schwäbisch: „Herr Adrian, ich mache einen Versuch mit Elsästerweiu. Wollen Sie ihn probieren?" 2uterestiert antwortete der alte Herr: „2a natürlich." Er kostete, indem er stch den Wund ausspülte und sagte: „Es ist guter 191 l er Riesling."