Satirisches Tagebuch 3»» Krakau, dem Eingang zu Galizien, sah ich zwei Häuser zur Anbetung Gottes. Die Rieseukirche prangte in Gold und Bildern. Turmhohe bunte Scheiben reckten sich leuchtend bis au die Wölbung eines blaugoldeueu Sternenhimmels. Die Wände waren so reich behängen» das hohe Gestühl so dick geschnitzt und die Priester vorn au den Altare« schritten so königlich geschmückt, als ob es außer jedem kleinsten Zweifel läge, daß hier der richtige Gott verehrt wurde. Die großen Heiligen» die ganz aus Gold den Gang zum Heiligsten zu beiden Smten vollstaudeu, dachten nicht im entferntesten daran, daß ste einmal überflüfstg «erden könnten» und sahen mit einer angefangenen und plötzlich abgebrochene« stillen Gebärde auf die kuieeudeu österreichischen Soldaten, die sich ihnen im vollen Bewußtsein ihrer Armut, die Alützeu zerknickt in einer Hand, ergaben. Die uralte Sguagoge ist schon halb versunken auf dem viereckigen, grob- steinigen Platz im niedrigsten Teil der Stadt. Der Steiuban im strengen Dunkel- rot des AUttelalters, mehrere Male Lbereiuaudergefetzt, hat sich ineinanderge schoben und nach vorn geneigt: eine unförmige Steiuauftörmuug ähnlich einem großen Grabmal. Durch einen Kellergaug und eiserne Türen mit mächtigen SchÜisseru kroch ich in den Tempel» der tiefer als die Erde lag. Eine graue Wölbung. Spät ansetzend dünne bllude Fenster. Bon der Mitte der Decke hing bis auf den Fußboden umgeben von hölzernen Bänken ein Käfig aus «fernem Ge stänge. An einer Seite waren die Mauern in Kopfhöhe durchbrochen und vor den länglichen Öffnungen schwebten Schleier wie alte Aieseuspiuugewebe: Die Frauen stud abgeschlossen vom Heiügtum. Der Bau war voll von Gebräuchen und Gebetsresteu, schmutzigen hebräischen Seiten» die auf den Pulten lagen. Die schwarze Kavtorsfrau, deren brauuleuchteude Augen weich waren» zeigte zärtlich — ihre singende Allweiberstimme erinnerte au Gebete — die alten Rollen und sonderbaren Sustrnmente, mtt denen hier Gott verehrt wurde, immer noch der selbe jahrtausendealte» unversöhnliche Gott» zu dem ste von brennenden Scheiter haufen gerufen hatten. Borne führten steinerne, niedergetretene, zerfressene Stufen zu einem Altar. Der war nackt aus Stein gehauen. Auf dem Platz vor der Sguagoge war ein kurzes Stück hoch und un durchdringlich ummauert. Keine Türe unterbrach das steinerne Biereck. Nie mand wollte mir sagen, was sich in ihm befand. Die Kirche mit ihrer Pracht goldener, toter Heiliger und der alte Tempel aus Holz und Stein waren die beiden Borhöfe, durch die ich in Galizien eintrat. A«f dem flachen Platz einer Stadt» au die die Anfänge des Gebirges reichen, ist Markt. Bor den geschwungenen Bergliuieu, die sich im ständigen Auf und Nieder verlieren und hinten schwach in mächtiger Höhe wiedererscheiuev, schreien die Stände von der derben Buntheit der Tücher. Die tragen die Bauern-