So sehe ich drei Religionen oder dreierlei Ethos unsere Zeit beherrschen: Heidentum, Lhristeutum, Sudeutum. Richt Rassen, Völker oder Rituale meine ich mit diesen Worten. Sondern drei tgpische Geisteshaltuugen der Menschheit, die anderswo, in Tibet oder auf dem nächsten bewohnten Stern, andere Aameu tragen mosten und au andere Träger geknüpft stud, — nach dem Staude unserer historischen Erfahrung jedoch mit Recht diese drei Bezeichnungen, charakterisiert nach ihren bedeutendsten Vertretern, fuhren. Drei ethische Sdeale? Ls ist doch nur eines möglich. Das Absolute als Ziel allen Daseins. — Richtig, aber das Ethos gibt nicht nur den Endpunkt» sondern bestimmt auch den Weg und unterwegs den Rang der materiellen Welt, der natura uaturata, es muß ferner den Einzelnen, das Individuum, in die Weg- richtung einstellen. Dadurch, daß ste also der materiellen Aatur und der Liuzel- seele ganz verschiedene Rollen auf dem Wege zu Gott zuweisen, unterscheiden stch die drei Religionen unserer Zeit. Das Heidentum heiligt, das heißt billigt die materielle Welt voll kommen und unumschränkt. Die heutigen Heiden haben zwar zumeist das Lhristeutum beibehalten, ihre Terminologie aber verrät schon (oft mit archai- fiereuder Aebeuteudeuz), daß ste auf den nngetanfteu Zustand ihrer Rationen zurückgreifen. Arier, Germanen» Gallier, Saulois, Hellenentum, der Antichrist Rietzfche und (mit Einschränkungen) der Olgmpier Goethe, der Egoist Stendhal und Stiruer, der Einzige, die Adelsmeuschen Sbsens (Rosmersholm), jede Philo sophie, welche die Ordnung des Diesseits ohne Liugriffsversuch anerkennt, Phgstokratie und Manchestertum, die liberale Devise vom Baissen faire, der orthodoxe Marxismus mit seiner „notwendigen" Evolution, die antike Polis und der „alte Preußeugeist", Monismus, biologische Betrachtungsweise, Lreitschkes Staatsgedauke und die Anbetung des „Historisch-Gewordeueu" — das alles stud ebeusoviele Lutfaltuugsformeu desselben heidnischen Sdeals, welches auf dem Wege der natürlichen, ungebrochenen Fortentwicklung der stchtbareu Welt die Verwirk lichung einer absoluten Gotteswelt anstrebt. Alle hier und fetzt stch durchsetzenden Triebe und Kräfte werden heiliggesprochen. Der Machttrieb des Einzelnen wie der kollektive Machttrieb des Staates. Und nur wo der üppig aufwucherude Trieb des Schädigeus die andern Lebeustriebe zu ersticken droht, wird im Suter este anderer Lebenskräfte und gefunden Wachstums gewaltsam und äußerlich das Böse zurückgedrängt. Eine innerlich grundverschiedene Ordnung der stcht bareu Welt jedoch wird nicht angestrebt. Richt etwa so ist das zu verstehen» daß über die stchtbare Welt hinaus keine zweite bestere unsichtbare gebildet wird. Auch das Heidentum hat Götter und Sdeale, aber ste stud nach dem Abbild des Srdischeu geformt. Vielleicht begreift stch hieraus das strenge Bibelverbot: Du sollst dir kein Abbild irdischer Dinge machen, um mich» Gott, darunter vor stellen zu wollen. — Die Tugend des Heidentums ist Herrenmoral, kriegerischer Sinn, Aristokratismus, Gesundheit, Kraft, Wagemut, Tüchtigkeit, seine Gemein schaft ist auf Herrschen und Dienen, Uber- und Unterordnung gegründet, das Sdeal der Gemeinschaft wird in der Gefolgschaft, das Sdeal des Einzelnen im Melden" oder auch auch im schrullenhaften „Eigeubrödler" gefunden.