236 geltend machten, zeigt sich ein Bild von solchem weiblichen Liebreiz und solcher schwärmerischen Nachdenklichkeit avch des Durchschnitts der Männer, daß wir mindestens das Recht des Wunsches haben, in dieser Welt den Diapason des deutschen bürgerlichen Wesens zu erkennen. Das war damals gewachsen, bunt, anmutig, zart blühend und ganz und gar nicht durstig, im schönen Einklang mit der noch völlig agrarischen Landschaft und den kleinen spitzgiebligeu Städten. Aber im Innern der Seele zeigt stch alles noch viel herrlicher aufgebaut, die Zelseuriffe, engen Gaffen, türkisgrönen Himmel waren hier Innenarchitektur der deutschen Seele. Selbst die bösartigste politische Ge drücktheit konnte die Menschen nicht verhindern, derart Natur in Natur zu sein. Wohl aber brachten die Gröuderjahre, die alles verbrennende, rechnerische Zweck- haftigkeit des Bourgeoisdafeius, des reinen Gelddafeius ohne Liebe, Heiterkeit, Kindlichkmt, Unbefangenheit, Zähigkeit, das Srratiouale anders denn als Spaß und Phantasterei zu genießen und zu werten, jene Ablenkung znm Lbersach- lichen Zustande, die nun alles zur Maschine macht und nicht einmal anders wie eine Maschine versagt. Dieses, verbunden mit den Rittern, die beständig die Hand am Schwertkuauf hielten, des alldeutschen Nuss gewärtig, hat bewirkt, daß stch fast keine Unparteiische in der ganzen Welt mehr zeigen wollen, wie es denn überhaupt erstaunlich ist, die Zmude so unfähig und erfinduugsarm zu sehen, daß ste stch einfach die liberale Parole der letzten Reichstagswahleu zu eigen gemacht haben. Und gerade der westlerifche Zug dieser Wahlen neben vielen Elementen eines gelösteren Kuustgeistes stimmt damit überein, uns allmählich auch in Deutschland romanisches Wesen lieben zu lasten. Und zwar nicht mehr wie in den höfischen Züten und dann wieder gemäß der Ablenkung durch die große frauzöstsche Malerei einfach als Livree, als artfremdes» obwohl zutiefst überlegenes 2deal» sondern so, daß es die eigene Richtung ist, die hier ge gangen wird, und letzthin auch das eigene Land, in dem mau ankommt, immer noch Deutschland, „Herr Hoffmauu, Student aus Deutschland", das alte ver- gesteue, phantastische Reich. Mau braucht den Westen um deutsch zu sein. Mau reist nicht so leicht aus dem ersehnten Deutschland fort, es ist überall in der Tiefe» in der Buntheit und dem Geist der Buntheit. Mau steht hier Genua und Paris, auch Sau Zrauzisko, mau fühlt in stch die blaue Luft und leichte, farbige, klingende Mittelmeerkultur wie vom Nordlicht beschienen, und das Ro manische im weiteren Sinne selber ist nur ein freundlich, kollegialisch begrüßtes Unterwegs, draußen ausgestreckte Arme» Hilfsmittel des eigenen Apriori. Das weiß auch das Volk; von dem russtfcheu Menschen in uns misten nur die 3u- tellekluelleu» und Rußland wird erst in einer sehr viel unsichtbareren Liefe wirk lich, obwohl es dem alten Deutschtum als Hilfskonstruktion noch näher liegt.