Glossen und Kritiken
Klabuud, Moreau. Roman
eines Soldaten. Erich Reiß,
Verlag, Berlin 1916. „Roman
eines schwülen Soldaten" wäre rich
tiger. Und zwar ist das Schwüle das
Beste. Am Soldaten sowohl wie am
Roman. — 2u Salambo gibt's ein Re
giment, ein schwüles Regiment von
alten und jungen Söldnern. Ls ist das
tapserste Regiment von allen. Des
halb so tapser, weil seine Soldaten
schwüle Soldaten sind und sich lieben
untereinander. Von dieser Art ist der
Soldat Moreau. Und diese schwüle
(schwache) Seite seines Genius ist die»
die Klabuud am besten gelingt. Zwei,
drei Liebesszeneu mit dem „Knaben
Lhristoph" und das Erscheinen des
eleganten jungen Königs sind die
besten Stellen des Buches. — Leiderist
die Schwülheit nur geschildert, weder
psgcho- noch sonstwie logisch ausge
schlachtet — nicht einmal im Verlaus
der gottgewollten Gegnerschaft
Mischen dem körperlich und seelisch
feinen (tgpisch schwül), „genialen"
General und dem popeligen Genie,
Bouaparte mit Aameu, das zwar
geistig (Kunststück!) sein ist, aber mit
dem echten Dreck der echten Genies in
Augen, Ohren, Mund und Aase ver
ächtlich, dick und häßlich herumläuft,
uuliebeuswördig (und tgpisch un-
schwül). — Rein, die Schwülheit wird
nur geschildert. Aber liebenswert
geschildert. Und am liebenswertesten
im „Knaben Lhristoph". H. L.
Johannes A. Becher, Au
Europa. Reue Gedichte.
Leipzig, Kurt Wolff Ver
lag 1916. Gedichte nicht nur sehr
verschiedenen Wertes» auch scheinbar
sehr verschiedenen Ursprungs. Ge
dichte, die von einem „als geheilt
entlassenen" Hölderlin sein könnte«,
Gedichte, die von einem deutsch-
sächstscheu W. Withmauu» von einem
deutsch-freundlichen Eh. Dänbler, von
einem lgrisch-eiugeölteu Mariuetti»
Gedichte, die von Becher sein
könnten — und endlich Gedichte,
die von Becher sind. Die letzteren
wären die wichtigsten — leider ver
stehe ich ste nicht. 2ch kaun also
dieses Buch kaum richtig — ich kann
nur versuchen, es gerecht zu beurteilen.
Mir scheinen am schönsten gewisse
Verse von einer burschikos-tuendeu
Sentimentalität» Freuudschaftsgedichte:
„Sterbetag", „An Me Freunde",
„Au die Freude". Diese stud nicht
nur begeistert, sondern wahrscheinlich
(ich Kanu es mir denken) auch be
geisternd. — 2u vielen anderen sind
schöne Sätze. Zum Beispiel: „Wirr
von Bordellen ein Ufer schleift längs
der schneeigen Stirn." Aber gleich da
hinter: „Enorm in der Rotunde chr
mit Huren schiebt! Klotz der Schädel
brennt. Aufgestemmt von Lehrer
Hieb. (. . . 2hr trillernd einst Zrüh-
liugsau ob Gefängnisse zerschmetternder
Haft...)" Das verstehe ich nicht
und finde es auch nicht schön. Entschei
dende Frage: Liegt es au mir? Oder
liegt es am Dichter? — 2ch wünschte:
es läge au mir. 2ch fürchte: es liegt au
ihm. Einstweilen bleibt mir nichts
übrig als auf die Erfüllung des an
fangs ausgegebenen Programms zu
warten. „Bald werden stch die
Sturzwellen meiner Sätze zu einer un
erhörten Figur verfügen," sagt er.
Hoffentlich! 2ch muß mich mit der
prophetischen Absicht begnügen. Einst
weilen schünt ste — die unzweifelhaft
reine und große — mir reiner und
größer zu sein als Kraft und Könne«.
H. S.
Herausgeber: Otto Haas-Hege, Berlin, Wilhelmstraße 69
Verantwortlicher Schriftleiter: Haus Siemfeu, Berlin, Ansbacher Straße ZI
Für unverlangte Einsendungen keine Gewähr
2n Österreich für die Redaktion verantwortlich Hugo Heller, Wien,!, Bauernmarkt Z
Druck von 8. ^ermann in Berlin
240