40 angelegenheit sind. Angenommen aber, daß sich in dem so genannten Unterbewußtsein wirkliche Instinkte befänden, die man durch psychoanalytische Therapie befreien könnte, würde noch durch nichts bewiesen sein, daß es sich hierbei um Güte, Menschlichkeit, Friedensliebe etc. handelt. Der Dadaist ist im Gegenteil der Ansicht, daß der Instinkt der gegenseitigen Hilfe eine durchaus egoistische Handlung ist, genau so wie ihm eine Biologie „des Krieges“, die feststellt, daß die Menschen im Anfang ihrer Entwickelung als Herden tiere auf eine gesellig-gesellschaftliche Einstellung ange wiesen gewesen wären, nichts beweisen kann. Der Dadaist geht allein von der erkenntnistheoretischen Feststellung aus, daß das Eeben eine in sich kämpfende in ständiger Be wegung begriffene imübersehbare Reihe von Phänomen ist, gleich einem buntbewimpelten Strom oder gleich einem Riesenwarenhaus, in dem das Rattern der elektrischen Signale nie abreißt und die bewegten Treppen durch die Stockwerke sausen. Dem Dadaisten ist der Kampf eine selbstverständliche Voraussetzung des Bebens; man kann ihn nicht wegnehmen, ohne dem Beben mit seiner meta physischen Voraussetzung den Sinn zu nehmen. Das Para dies zu wollen, ist ein Mißverstehen des Bebens überhaupt. Revolution mit der Aussicht auf „Besserung“ ist die An gelegenheit eines Bourgeois, der unter „Mitleid“ seinen eigenen Frost, seinen eigenen Jammer, seine eigene Minder wertigkeit begreift und sich nun schnellstens einen warmen Platz am Ofen sichern will. Was für Kunst herauskommt, wenn man aus der Pseudowahrheit des Meliorismus Novellen macht, beweist Beonhard Franks „Der Mensch ist gut“ — ungefähr das läppischste, dümmste und künstlerisch tölpel hafteste Gewäsch, was man in Deutschland seit J ahrzehnten in den Kreisen mit literarischen Pretentionen gehört hat. Dada pfeift auf die Güte. Dada macht Revolution aus Freude an der Bewegung, aus überschüssiger Energie. Die Aufgabe des Dadaismus: den Deutschen ihren Güte-, Menschlichkeits und Expressionsschwindel zusammenzuschlagen und dafür den Typus eines naiven Menschen zu setzen, der außer halb der Zweiteilung der konventionellen Moral steht.