5 Bücher haben ihr Schicksal: ungarischen Büchern, die in deutscher Sprache erscheinen, scheint ein ganz eigentümliches, durchwegs gemeinsames Schicksal anzuhaften. So oft ein Werk von der Theißgegend nach dem Rheingebiet verpflanzt wird, sind Übersetzer und Herausgeber ängstlich bemüht, den Weg des Ver ständnisses mit Einleitungen und Kommentaren zu verrammeln, , die ihnen offenbar mehr nottun als den Dichtern. Bleibt aber der > deutsche Leser in wenigen Glücksfällen von solchen Verdünnern aller Dichtung verschont, so wird ihm gewöhnlich ein Werk geboten, das von unaussprechlichen Namen, national und lokal gefärbten Spezialitäten wimmelt, die denn doch zumindest unter Sternen erläutert werden müssen. Kassäks Werk beansprucht und duldet keine dieser beliebten Methoden. Seine Gedichte liefern keine Beiträge zur Wissenschaft der Folklore: sie sind Kunstwerke. Als solche werden sie dem feinschmeckerischen Schöngeist, der aus allen Dokumenten des ungarischen Schrifttums den spezifischen Gulaschgeruch und den Düngerqualm der Pußtadörfer heraus spüren möchte und in der Kunst überhaupt auf angenehme Beleh rung erpicht ist, so gut wie nichts bedeuten. Sie fordern vollwertige Menschen,, die die Kunst nicht genießen, sondern erleben wollen. Leuten, die zur ersten Gattung gehören, kommen gewisse kleine Schwierigkeiten im Werke, die dann mit gelehrten oder gutinfor mierten Anmerkungen behoben werden, stets gelegen. Kleine Niederlagen machen den Sieg schmackhaft. So geht es ihnen auch in der Kunst per aspera ad astra. Aber man soll nicht genießen — wollen. Das gegenwärtige Buch wendet sich an Menschen, denen die Kunst eine primäre Lebensform ist, der man sich nicht auf der Brücke der Gelehrtheit nähert. Sicherlich wurzeln auch Kassäks Gedichte im ungarischen Boden, nicht in völkischem Sinne — Kassäk ist von slowakischer Abstammung — aber als Kunstwerke, die zur ungarischen Literatur gehören. Immerhin besagt das hier nur so viel, daß die neue ungarische Literatur als Ganzes ohne die Kenntnis seiner Werke unverständlich bleibt, doch haben diese zu gleich ein selbständiges Leben, das unabhängig vom Milieu nach erlebt werden kann und muß. Eine Einleitung zu den Kassäkschen Gedichten kann sich daher kein weitergehendes Ziel stecken, als das Interesse des deutschen Lesers, der Kassäk, den Dichter, liebge wonnen und nun auch seinen Werdegang kennen lernen möchte, nach dieser Richtung hin zu befriedigen. Sein Verständnis wollen die nachstehenden Zeilen nicht erleichtern. Dieser Konzession be darf er ebensowenig wie sein Werk. Seine Kindheits- und jugenderlebnisse hat Kassäk in einem auch hier mitgeteilten längeren Gedichte künstlerisch verwertet. Über die verrußte Schmiede seiner kleinen slowakischen Geburts stadt und eine größtenteils zu Fuß absolvierte Auslandsreise führt ihn der Weg nach Budapest, dem damals fieberhaft bewegten künst lerischen Zentrum Ungarns. Eines Landes, dessen Kunst die ach so verdorrte blaue Blume der Romantik skrupellos in das zwan-