11 der ersten sozial war. Die Revolution stellt nach wie vor die Seele der Kassäkschen Dichtung dar, aber als Thema verschwindet sie völlig. Hand in Hand mit dieser Wendung vollzieht sich eine Revision seiner Auffassung über Kunst, und eigentlich ist ja auch die Entpolitisierung seiner Kunst eine selbstverständliche Folge dieser Revision. Wir wollen im nachstehenden ohne Anspruch auf Vollständigkeit eine kurze Darstellung des auf diesem Wege ge wonnenen Standpunktes versuchen. Kassäk kehrte zu sich zurück. Er trat aus dem Kreise der thematischen Dichtung heraus und stellt den Versuch einer reinen Kunst an, die jedoch mit der l’art pour l’art, mit ihrer aller Realität entrückten Weltfremdheit, mit ihrer Lebensflucht nichts zu tun hat. Kassäks reine Kunst bedeutet im Gegenteil nicht mehr und nicht weniger als die Erhebung des Kunstwerkes zum selbständigen Leben. Das Gedicht büßt das Thema, den zufälligen Inhalt ein, erlangt aber dafür ein inneres Leben, das an und für sich erlebt wird und auch begriffen werden muß, anstatt der Abglanz eines fremden Lebens zu sein. Alles, was da ist, ist primär und kategorisch, denn das Sein selbst ist auch primär und kategorisch. Aber das Kunstwerk hatte bis jetzt kein eigenes Da sein: es war sekundär, denn es kam um eines Zweckes willen zu stande, wo doch jedes Sein Selbstzweck ist, und es war im gleichen Maße hypothetisch, denn es hat nie sich selbst, immer ein anderes bedeuten sollen. Das Kunstwerk als selbständig Seiendes und Wirkendes zu gestalten: das ist die große Möglichkeit, die Kassäk in Tat umsetzen will. Daß er nicht allein auf die Suche nach dieser neuen Kunst ausgezogen ist, ist ohneweiters einleuchtend. In den Werken seiner dritten Periode, der auch die in diesem Buche mitge teilten Gedichte insgesamt gehören, sind Züge enthalten, die die Wirkung Guillaume Apollinaires und der radikalen Dadaisten nicht verkennen lassen. Aber ihm bedeutet der Dadaismus nur eine Er weiterungsmöglichkeit, dem Dadaismus, der gleich anderen Mode richtungen in Schule entartete, steht er meilenweit fern. Seine Dichtungen sind dementsprechend nicht dadaistisch, aber die pathetischen Gesten der früheren Periode lösten sich in ihnen auf. Eine kurze Zeit lang stand er allerdings im Banne der so gründ lich dadaistischen Verneinung, die bittere Grimasse des Skeptikers zog durch sein Schaffen, aber Kassäk der Künstler überwand Kassäk den Menschen, und bald erklingen in seinen Dichtungen die Töne eines wiedererlangten Glaubens, der seine Kunst zum zweitenmal erfüllte. Nur ist dieser Glaube diesmal nicht so einfach beim Namen zu nennen wie die sozialistische Weltanschauung der politischen Periode. Der neue Glaube hat noch keinen Namen und wird solange nicht beim Namen genannt werden, als der neue Mensch nicht erscheint, dem er angehören wird. Und er wird nur er scheinen, wenn der in Passivität gedrängte revolutionäre Mensch sich noch einmal die Möglichkeit der Aktion errungen haben wird. Kassäks neue Gedichte sind die typischen Kunstwerke dieser Über