Jahresbericht 1913 der Zürcher Kunstgesellschaft A Gewiss spricht es für ein hohes Vertrauen des Architekten zur Schwesterkunst Bildhauerei und zum Bildhauer, wenn er einen so bedeutenden Teil des Ausbaues, ja lie eigentliche künstlerische Krönung des Werkes aus seiner Hand gab und für die Möglichkeit reicherer künstlerischer Gestaltung des Hauses den eigenen Anteil am voll- endeten Werk, wenigstens in den Augen der Menge, bescheidener erscheinen liess. Denn es ist ja wirklich so, dass nur durch die Reliefs der obere Teil der wenig gegliederten Steinwände als Geschoss verständlich und erst durch die Mitarbeit des Bildhauers dem ganzen Bau der Charakter roher Massigkeit genommen wurde. Dabei bestand die Gefahr, das Haus durch einen zu eigenmächtigen Künstler nur als Folie für bildhauerische Einzel- leistungen behandelt sehen zu müssen, während doch jede Wand als Fläche zu erhalten, Jie plastische Erscheinung des Hauses als Würfel in erster Linie zu unterstützen war, und gerade das Aufgehen des einzelnen Reliefs in der Wandfläche, eine innere Beziehung zwischen den verschiedenen Feldern und eine rhythmische Gliederung des «Frieses» als umlaufendes Band um das ganze Gebäude im Gedanken des Architekten liegen mussten. Bildhauer Carl Burckhardt fasste die Aufgabe im gleichen Sinne wie der Architekt. Er gestaltete die Folge der zehn Felder zu einem Zyklus mit dramatisch an- steigender und ablaufender Handlung. Als allgemeinen Vorwurf wählte er die Schilderung des bewegten Lebens, das sich bis zum Kampfe erregt und im Kampfe löst; als Mittel der Darstellung unbekleidete Männer, Frauen und Pferde. Die Handlung gliederte er in drei Akte: Vorbereitung und Aufbruch zum Kampf, in den drei Feldern der Vorderfassade; Kampf in verschiedenen Stufen, an der Nordostfassade ; und Lösung im ruhigen Aus- klingen, in den drei Reliefs der Westseite. Für den ganzen Zyklus lagen bei der Erteilung des Auftrages gezeichnete Skizzen vor; für das eine Feld mit den steigenden Pferden und den zwei Kämpfenden (zweites Feld der Nordostseite) ein Tonmodell in Ausführungsgrösse. Im weitern Verlauf der Arbeit suchte der Künstler wohl bei der Anlage eines jeden Entwurfes vor allem ein- mal den durch die dekorative Aufgabe und das Material gestellten Forderungen gerecht zu werden; die befriedigende Flächenfüllung und die Kunstform des Reliefs standen im Vordergrund; das Studium der dabei zur Verwendung gelangenden Naturformen folgte, nachdem die Komposition erdacht und im Grossen festgelegt war, nachträglich, zur Kor- rektur. Wie eindringlich der Künstler dann aber die Naturformen für Männer, Frauen und Pferde am lebenden Modell studierte, beweist die Auswahl von Zeichnungen, die er zur Mai-Ausstellung 1914 im Zürcher Kunsthaus einsandte. Das Hauptproblem beruhte indessen in der besondern Kunstform des Reliefs. Aeusserlich ein Mittelding zwischen Flächenbild und freier Plastik hat sie ihre eigenartige Aesthetik. Durch das Mittel von hellen und dunkeln Flächen soll das Relief den Eindruck der Plastik, der Rundheit und Körperlichkeit vortäuschen. Wie das Flächenbild gewährt es dem Beschauer nur den ainen Standpunkt, senkrecht vor der Bildfläche, oder gestattet doch nur eine kleine Ver- schiebung nach links und rechts, während das Verhältnis zur freien Plastik eben darauf beruht, dass er «um das Kunstwerk herumgehen », es aus seinen verschiedenen Ansichten körperlich sich vorstellen und empfinden kann. So wirken im Relief nur die Linien und Flächen, die zum Beschauer parallel liegen. Als einzige Farben stehen aber dem Künstler nur die Abstufungen von Licht und ‚Schatten zu Gebote, die er gerade durch den plastischen Aufbau seines Bildes zu erreichen vermag.