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Jahresbericht 1913 der Zürcher Kunstgesellschaft
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Der Reliefzyklus am Zürcher Kunsthaus.
Dazu die Tafeln I, I1abe, III und IV.
Von Dr. W. WARTMANN.
Grosse Aufgaben stellen sich in der Schweiz dem Bildhauer selten. Die Voraus-
setzungen dafür scheinen im allgemeinen zu fehlen; einmal die Mittel, das Geld, bei den
einzelnen Kunstfreunden und den Gemeinschaften wie Gemeinwesen, dann eine jede
Tradition für monumentale Kunst und Monumente, deren Fehlen den Anlass zur Schaffung
von monumentalen Kunstwerken nicht finden und empfinden lässt. Wird doch selbst der
Plan eines Nationaldenkmales heute durchaus nicht allgemein als wünschbar und historisch
oder künstlerisch begründet anerkannt.
Ein Zürcher Korrespondent einer ausländischen Zeitung berichtete von der Eröffnung
weg seinen Leuten, das neue Zürcher Kunsthaus sei seinem Stil nach barock. Man
könnte kaum sagen, dass diese Behauptung es nicht sei. Der Vergleich mit einer alten,
für unsern Berichterstatter offenbar fernab liegenden Bauweise entspringt vielleicht seiner
Ratlosigkeit gegenüber dem Neuen, oder für uns wieder Neuen, an dem Werke Karl
Mosers: Der innigen, ungezwungenen Verbindung von konstruktiver Architektur und
organisch erwachsender schmückender Bildhauerei, die der Architekt dem festlichen
Charakter des Baues als eines öffentlichen, hohen Zielen dienenden Kunsthauses ent-
sprechend, nicht als verzierende Beigabe, sondern monumental, von gleicher einfacher
Grösse wie die Umrisse und Massen des Bauwerkes verlangt. Die dreiundzwanzig kaum
lebensgrossen Nischenfiguren am «Ausstellungsflügel» sind erst zum Teil und in einzelnen
Gruppen vier Bildhauern in Auftrag gegeben und damit in eine Reihe von kleinern
Sonderaufgaben geteilt worden, wie sie nach Art und Umfang an andern Bauten vielleicht
ähnlich schon gestellt und gelöst: worden sind. Durchaus neu und als Aufgabe allein-
stehend ist aber der Gedanke der zehn grossen Relieffelder von nahezu drei
Meter im Geviert am erhöhten «Sammlungsbau», die man mit einiger Freiheit nach
ihrer Wirkung am Bau Metopen, in ihrer Gesamtheit Fries nennen kann. Wenn je,
so wurden hier, am Zürcher Kunsthaus, dem Bildhauer die Grundlagen zu einem bedeu-
tenden Werk gegeben.
Bekanntlich haben von den 10 vorgesehenen Reliefs dank verschiedenen grossen Stiftungen bisher
5 ausgeführt werden können. Doch fehlt zur völligen Bezahlung für das vom Künstler auf eigene
Gefahr fertig gestellte fünfte Relief noch ein erheblicher Teilbetrag. Eine Ausführung der übrigen
Felder, mit denen erst der Kunsthausbau auch wirklich vollendet sein wird, kann nur durch weitere
Stiftungen möglich werden. So steht einstweilen alles nur auf der Hoffnung — und die Bitte um
tatkrätftige Mitarbeit zu ihrer Verwirklichung geht an alle Freunde des Kunsthauses — es möchten die
vom Künstler bis heute geleisteten Proben weitere Gönner bewegen, noch einmal helfend beizustehen.