3 Jahresbericht 1935 der Zürcher Kunstgesellschaft 27 Paul Ulrich-Schulthess Als im Glücksjahr 1886, dem neunundneunzigsten ihres Bestehens, die Zürcher Künstler- gesellschaft durch die Vermächtnisse von Maler Rudolf Holzhalb und von Stadtrat Heinrich Landolt-Mousson überrascht wurde, tat sie sich mit der Antiquarischen Gesellschaft zu- sammen, um dem Stadtrat das Projekt eines gemeinschaftlichen Sammlungsgebäudes auf der in das Eigentum der Stadt übergegangenen Landoltschen Liegenschaft am Hirschen- graben zu unterbreiten, «da schon längst die etwas unbequeme und excentrische Lage der Kunstlokalitäten und besonders deren Mangelhaftigkeit in Bezug auf Licht und Raum schwer empfunden wurden». Die Weigerung der Behörde, über das Areal so rasch zu verfügen, verwies die Künstlergesellschaft auf einen bescheideneren, ebenfalls schon oft erwogenen, aber wegen Geldmangels stets wieder aufgeschobenen Ausweg, im bestehenden Sammlungsgebäude von 1844 den einen Saal mit Schliessung der Fenster zu einem Ober- lichtsaal auszubauen. Der Umbau wurde im Laufe des Sommers ausgeführt durch den Baumeister Friedrich Salomon Ulrich-Heusser, der schon 1845 der Künstlergesellschaft beigetreten war und jetzt dem Vorstand angehörte. Der Baumeister und Hausinspektor des Künstlergütli hatte einen jungen Architekten zum Sohn. 1883 ist auch Paul Ulrich bereits Mitglied der Künstlergesellschaft. Ein in unsern Tagen nach seinem Hinschied durch seine Tochter liebevoll gezeichnetes Lebens- bild zeigt ihn, der 1856 im Haus zum Ravelin am Schanzengraben zur Welt gekommen war, wohl behütet in einem anregenden Familienkreis, in der Stadtschule und der Privatschule des Dr. von Beust, der Zürcher Industrieschule, von 1874 bis 1876 im väterlichen Bau- geschäft, dann als Architekturstudent am Polytechnikum zu Dresden. Als Erstprämiierter verlässt er 1880 diese letzte Schule und reist nach Wien, Budapest, durch Deutschland und Belgien nach Paris. Neben der täglichen Arbeit in einer grossen Bauunternehmung be- teiligt er sich von hier aus am Wettbewerb für die Schweizerische Landesausstellung in Zürich und erringt einen Preis. Von Paris aus besucht er auch London, bevor er in Zürich bei seinem Vater in strengen Dienst tritt. 1886 findet er seine Gattin in einer Tochter des Verlagsbuchhändlers Schulthess in Stadelhofen. 1899 löst er das vom Vater übernommene Baugeschäft auf und öffnet sein eigenes Büro als Architekt. In der Rubrik «Bauten» der Chronik der Künstlergesellschaft wurde es nach der ersten Regung von 1886 bald wieder lebendig. 1888 wurde ein vom Stadtrat für Gewerbemuseum, Antiquarische Gesellschaft und Kunstgebäude ins Auge gefasster Bauplatz im Zähringer- quartier als ungeeignet abgelehnt, hingegen auf den aus Zürcher Familienbesitz der Stadt für ein Gewerbemuseum geschenkten Platz an Talgasse und Bärengasse hingewiesen, doch machte der Plan eines Landesmuseums in Zürich derartigen Kombinationen rasch ein Ende, und wieder musste sich die Projekt- und Baufreude mit einer kleinen Umbaute im Künstlergütli zufrieden geben. Es handelte sich um die Ausstattung des Gesellschaftssaales mit dem bemalten Täfer von Heinrich Wüest aus dem «Kratz». Die Architekten, denen nach dem Bericht von 1888 der neue Saal alle Ehre machte, sind Friedrich und Paul Ulrich. Vater und Sohn nun neben einander, und H. Reutlinger.