Streifen mit fixierter Breite sein gleich dem Weiß. Es kann aber auch eine ins Unendliche sich dehnende Fläche sein, die im rechten Winkel rechts ihren Anfang nimmt. Das Blau kann eine Fläche sein, die, von einer Geraden begrenzt, sich un- endlich weit ausdehnt, oder die unsichtbar in einem rechten Winkel an der verlängerten Horizontalen beginnt. Schließ- lich könnte am unsichtbaren Schnittpunkt von horizontal und vertikal eine andere Fläche entstehen. (Wahrscheinlich eine rote, die sich ins Unendliche ausdehnt von diesem rechten Winkel aus.) Nun, was bedeutet diese Aufzählung der Möglichkeiten, ohne daß man etwas beweisen könnte! Sie zeigen das Schema, an dem unser Denken und Empfinden sich entwickeln kann. Dies ist lediglich eine der Möglichkeiten dieses im ersten An- sehen so einfachen Bildes, wahrscheinlich nicht einmal jene, die Mondrian im Sinn hatte. Dennoch ist sie vorhanden und nachweisbar. Sichtbar ist jedoch das rein Materielle dieses Bildes: seine realen Flächen und Linien und Farben: die Beziehungen dieser Elemente zur Gestalt als Ganzes: die Unbedingtheit der Ordnung: die Klarheit der Komposition. Und schließlich das dynamische Gleichgewicht, das Mondrian in allen seinen Werken anstrebte. Doch scheint ein ganz wesentlicher Wert dieses Bildes darin zu liegen, daß es Mondrian hier gelungen ist, die reale Erscheinung, in ihrer absoluten und strengen Gebundenheit, zu verbinden mit einer Offenheit der möglichen Vorstellbar- keiten, die dem Betrachter die Freiheit lassen, und zu denen im Bild selbst, gleich einer wohl geordneten Spielregel, lediglich der Nukleus fixiert ist. Max Bill 4" f