Werken aber — schon die Gegenüberstellung mit dem als Leihgabe im Zürcher Kunsthaus ausgestellten Frauenkopf aus der Zeit um 100 n. Chr. kann dies lehren — verhält sich das neue Porträt dem ihn umgebenden Raume gegenüber merk- würdig selbstherrlich, fast abweisend, doch wohl gerade darum, weil die Form des Schädels infolge der satt anliegen- den knappen Frisur mit so scharfer Begrenzung heraustritt. Sie wirkte noch entschiedener, als die wahrscheinlich schwarze Bemalung des Haares noch erhalten war. Betrachtet man den Kopf im Sonnenlicht, für das antike Plastik ja geschaffen ist, so zeigt sich, daß die starke Glättung der Oberfläche durch die volle Reflektierung ebenso dieser verdichtenden, abschalenden Wirkung des Körpers dient. All dies macht deutlich, daß wir es mit dem Werk einer Zeit des Umbruchs zu tun haben, in der alte Werte zurücktreten und Neues sich an ihre Stelle drängt — einer fragenden, suchen- den Zeit. Nicht allein aus der künstlerischen Gestaltung, ebenso und deutlicher vernehmbar noch spricht dieses Suchen und Fragen aus der Miene des Dargestellten. Wir haben vor- her wahrgenommen, wie der Rhythmus der körperlichen Be- wegung in den Blick ausströmt, und dieser Blick ist es nun auch, der sich als Zentrum des Ausdruckes erweist. Die Augen sehen den Betrachter nicht an, sind überhaupt nicht auf ein irdisches Gegenüber gerichtet, sondern schauen in die Ferne, eine Ferne, die über dem Horizont liegt. Dieses Himmelwärts- blicken hat innerhalb der Entwicklung des antiken Bildnisses seine eigene Geschichte, die mit Lysipps berühmter Statue Alexanders des Großen beginnt und Darstellungen von dessen Nachfolgern und Nachahmern unter den griechisch-helleni- stischen und den römischen Herrschern umfaßt. Bei Septimius Severus, mit dem wir die Schwelle zum dritten nachchrist- lichen Jahrhundert überschreiten und bereits in die Nähe der Stilstufe unseres Bildnisses kommen, wirkt diese Haltung be- sonders theatralisch; um so klarer enthüllt sich uns ihr Sinn: der Kaiser weist auf seine Verbundenheit mit den Göttern hin, nd