ZU ZWEI NEUERWERBUNGEN Unbekannter Meister, Anfang 15. Jahrhundert, Bewahrung eines Kindes durch den heiligen Stephan Die Sammlung von Werken alter Meister des 15. Jahrhunderts hat eine willkommene Bereicherung erfahren durch ein Bild, das eine Szene aus dem Leben des heiligen Stephanus zeigt (Tempera auf Holz; 102 X 75 cm). Das Bild figurierte 1956 auf der Ausstellung «Unbekannte Schönheit» im Zürcher Kunsthaus als Nr. 250 unter dem Titel «Szene aus dem Leben des heiligen Zenobius». Die Richtigstellung, daß es sich um den heiligen Stephanus handelt, ist Niccold Rasmo zu verdan- ken (vgl. Cultura Atesina 1956, Estratto). Auf dem Altar der Kirche im Hintergrund erscheint ein Heiliger mit der Mär- tyrerpalme. Sowohl in Hinsicht auf Zenobius, den Bischof und Patron von Florenz, wie in Hinsicht auf Stephanus, den ersten Diakon und Erzmärtyrer, erzählt die Legende zwar von einer Wundertat, die der Heilung eines von einem Ochsen- karren überfahrenen Knaben gilt, doch da Zenobius eines natürlichen Todes starb, muß sich das Attribut der Märtyrer- palme eindeutig auf den heiligen Stephanus beziehen, In der Legenda aurea erwähnt Jacopo da Voragine das Ereignis mit folgenden Worten: «Ein toter Knabe, den man zur Sankt- Stephani-Kirche trug, ward auch durch Anrufung des Heiligen wieder lebendig.» Dementsprechend besitzt die Schilderung zwei inhaltliche Zentren: vorn in der Mitte gibt sich die Mut- ter mit ihrem verunfallten Knaben ab, und ganz links macht der Vater eine Gebärde des Schreckens; rechts kniet der Knabe zwischen seinen Eltern vor dem Altar des Heiligen, um die- sem den Dank für die wunderbare Errettung abzustatten, Die Komposition zeigt also, in typisch «mittelalterlicher» Vergegen- wärtigungsweise, die Hauptpersonen gemäß dem zeitlich- sukzessiven Handlungsablauf zweimal im Bilde. „9