EINE MITTELITALISCHE BRONZESTATUE Am Anfang des Berichtsjahres erwarb das Kunsthaus eine jener überlängten italienischen Bronzefiguren, von denen in der Etrusker-Ausstellung die bemerkenswertesten Beispiele vereinigt waren, so die beiden größten aus Volterra (57,5 cm) und Paris (50,2 cm), die zugleich zu den spätesten gehören.! Das eigenartige Stilphänomen scheint im wesentlichen auf Mittelitalien beschränkt, nicht aber an eine bestimmte Epoche gebunden zu sein. Schon die Trägerfiguren aus Brolio (um 600 v. Chr.)? zeigen die Tendenz zur Streckung. Hier läßt sich diese naturferne Bildung noch als Nachklang der zeichen- haften Formensprache geometrischer Zeit verstehen. Die Ge- stalten haben sich noch nicht zur vollen Körperlichkeit ent- wickelt. Glieder, Rumpf und Haupt werden weitgehend für sich gesehen und darum auch mit klar markierten Fugen zusammengesetzt. Die Teile behaupten noch in hohem Grade ihre eigenen Proportionsgesetze, haben gewissermaßen alle ihr eigenes Schönheitsideal. Der geometrischen Zeichen- haftigkeit bleiben auf lange Zeit hin die verbreiteten schema- tischen, kleinen Bronzekrieger verhaftet. Bei dem wahrschein- lich aus Chiusi stammenden Jüngling in Berlin?, der nach den jüngsten Stilelementen, die am Kopfe zu finden sind, bald nach der Mitte des 6. Jahrhunderts v.Chr. entstanden sein muß, erinnert der schlanke, gedehnte Rumpf noch an den ein halbes Jahrhundert älteren Torso eines Kuros aus Sunion?, den er in der relativen Längenausdehnung indessen noch um einiges übertrifft. In dem Ineinanderfließen verschiedener Stilstufen verrät sich das Erzeugnis eines Randgebietes des griechischen Kulturbereichs. Scheint sich aber schon hier die 1! Kunst und Leben der Etrusker5, 278 und 281; Ausgabe Köln, 419 und 427. ? Kunst und Leben der Etrusker5, 41/42; Ausgabe Köln, 115/116. 3 Kunst und Leben der Etrusker, Ausgabe Köln, 282 (v. Vacano); G. M. A. Hanf- mann, Etruskische Plastik, 1956, 15. ' E. Buschor, Frühgeschichtliche Jünglinge, 1950, 55. 37