unverwechselbaren Charakter. Diesen formalen Prämissen entspricht in bezug auf die geistige Gestimmtheit jene Gebärde hoffnungsloser Trauer, Schwermut und Melancholie, die allen Geschöpfen Lehmbrucks wie von einem unumgänglichen, tie- fen Apriori her anhaftet. Der «Betenden>» ist sie nicht nur ins maskenhaft erstarrte Gesicht geschrieben — sie wirkt sich als überindividuelle Beseeltheit der ganzen Figur aus. Von Carl Burckhardt besaß das Kunsthaus bisher zwei Werke, die Bronzen «Kleiner Tänzer» (1914) und «Erinne- rung an H. Dieterle» (1919). Mit der Neuerwerbung «Frauen- raub»> von 1918 tritt nun zu der Einzelfigur und dem Porträt eine Mehrfigurenkomposition.‘ Unser Museum besitzt ohne- hin genug Anlaß, Carl Burckhardt zu pflegen: der Basler Bild- hauer versah 1910 bis 1914 die Fassaden des Moserschen Kunsthausaltbaus mit fünf metopenartigen Reliefs einer Ama- zonenschlacht sowie mit Nischenstandbildern. Burckhardt hat mehrmals mit dem Architekten Karl Moser zusammengearbei- tet; für dessen Pauluskirche in Basel schuf er 1904/05 das Relief «Christus hilft dem gefallenen Sünder»; 1914 bis 1921 gab er einem weiteren Bau Mosers, dem Badischen Bahnhof in Basel, den plastischen Akzent mit monumentalen allegorischen Figurenbrunnen, die mit der Architektur eine zwingende Ein- heit bilden. Die Würdigung Carl Burckhardts gewichtiger künstlerischer Leistung ist heute ungebührlich vernachlässigt; zu Unrecht macht es den Anschein, als wäre diese Leistung in einen Bereich des Unaktuellen entrückt. Dabei hat sich die Berufung auf den Gradmesser sogenannter «Aktualität» noch immer als höchst unzuverlässige Instanz erwiesen — nichts ist derart raschem Wechsel unterworfen wie die Gründe der je- 5 Kunststein, 73 X 43 X 47,5 cm; Wilhelm Barth, Carl Burckhardt, der Bildhauer und Maler, 1878—1923, Zürich-Leipzig 1936, Abb. 61. un