schult scheinen. Auf einem dem Quadrat angenäherten Sockel sind zwei Figuren, eine männliche und eine weibliche, in heftiger, raumerschließender Bewegung, Aufeinanderfolge, Gegenwirkung ihrer Leiber so ineinander verschlungen, daß ein kubisch-kugliges, allseitig sich rundendes, kraftvoll gespanntes plastisches Gebilde resultiert, das, bei aller kompli- zierten, dynamischen Verschränkung, sich als übersichtlich geordneter «Kegel» dem Blicke, wo immer er ansetzt, darbietet. Die Kegelkomposition gipfelt im spitz gewinkelten rechten Arm des Mannes. Dieser «Frauenraub» ist reine plastische Sichtbarmachung eines Bewegungsrhythmus von hinreißender Gewalt. Als Prototyp eines denkenden Künstlers hat Burck- hardt in Briefen und namentlich in seinem Buch «Rodin und das plastische Problem»” wie kein zweiter Schweizer Bild- hauer über die Grundlagen des plastischen Schaffens reflek- tiert; seine Schrift über Rodin gehört zu den wesentlichsten gedanklichen Selbstbezeugungen eines Künstlers im 20. Jahr- hundert. Burckhardt ist zwar zweifellos Hildebrands 1893 er- schienenem «Problem der Form» verpflichtet; indessen redu- ziert er die plastische Wirkung nicht wie Hildebrand aufs Bildhafte; er zieht nicht das Relief der Rundplastik, das «Fern- bild» dem dreidimensional expansiven Volumen vor, sondern bestimmt Skulptur als organische Summe aus Fläche, Körper, Raum und Licht. Als Schaffender hat er im «Ritter Georg», der sich auf schlankem Postament am Kohlenberg zu Basel als — in Burckhardts eigener Formulierung — «Fern- und Frei- lichtplastik» erhebt, die gültigste Konsequenz seiner theoreti- schen Ueberlegungen gezogen. Der «Frauenraub» repräsen- tiert eine wichtige Etappe auf diesem Weg; Burckhardts Worte aus dem Kapitel «Die neue Zeit» seines Rodin-Buches wirken als treffender Kommentar wie auf sie gemünzt‘®: «. . . die neue Form ist außer-malerisch: sie ist aber auch außer-philosophisch, 7 Basel 1921. 3 Rodin und das plastische Problem, Basel 1921, S. 84 19