ZU EINIGEN NEUERWERBUNGEN AUS DER ZEIT DER JAHRHUNDERTWENDE In den letzten Jahren konnte das Kunsthaus die Chance wahrnehmen, seine Sammlung mit einigen bedeutenden Werken aus der Zeit des Jugendstils zu bereichern, der in unserem Museum einen wichtigen Platz einnimmt. Von den beiden wertvollsten Neueingängen dieser Rich- tung, dem «Bain au soir d’ete» von Felix Vallotton, einer eigentlichen Inkunabel des französischen Art Nouveau, und dem großen Interieur von Edouard Vuillard konnte in den Jahresberichten 1965 und 1966 gespro- chen werden. 1967 ermöglichte die Großzügigkeit zweier privater Spen- der, zwei Bilder von Giovanni Segantini zu erwerben, während die eigenen Mittel des Kunsthauses den Ankauf eines Bildes von Vallotton und zweier großformatiger Kompositionen von Augusto Giacometti gestatteten. Bei den Bildern von Segantini handelt es sich um zwei gleich große und wohl auch als Pendants gedachte Darstellungen, die als zweite Versionen der beiden bedeutend größeren Kompositionen « Die Wollüstigen» (Wal- ker Art Gallery, Liverpool?) und « Die bösen Mütter» (Neue Galerie des Kunsthistorischen Museums, Wien?) zu bezeichnen sind. Im Liverpooler Bild, 1891 in Savognin entstanden und ursprünglich «Nirwana» betitelt; erkennen wir das früheste traumhaft-visionäre Gemälde Segantinis; 1894 malte der Künstler kurz vor seiner Übersiedlung nach Maloja im August desselben Jahres das Wiener Bild. Die beiden Bilder sind thematisch nah verwandt, und es erstaunt nicht, daß Segantini 1897 in Maloja in einer zweiten Fassung die beiden Darstellungen vereinigen wollte, nachdem die «Wollüstigen » bereits vor der Entstehung der « bösen Mütter» 1893 nach Liverpool verkauft worden waren. Beiden Bildern scheinen indische Legenden zugrunde zu liegen. Danach sollen die wollüstigen Frauen, die ihre Kinder vernachlässigt haben, be- straft werden, indem sie kärglich durch Schnee und Eis ziehen müssen, während die Kindsmörderinnen (Segantini nannte «Le cattive madre» zuerst «Le infanticide ») erstarrt in kahlen Bäumen hängend, ihre Kinder säugen müssen. Segantini hat sich wiederholt mit dem Thema der Mutter-