Hinweis auf einige Neuerwerbungen MARC CHAGALL: DAS FENSTER, 1924 Marc Chagall hat «Das Fenster» im Juni 1924 auf der Ile de Brehat in der Bretagne gemalt. Wie nie zuvor im Werk des Malers dominiert in diesem Bild die Landschaftsdarstellung. Chagall, ein Maler des Figuren- bildes — im gleichgewichtigen Nebeneinander von Mensch und Tier for- muliert der Künstler beinahe ausnahmslos seine Bildinhalte — verzichtet in diesem Gemälde auf alle Ausformungen seiner inneren Gesichte, durch die er in der Regel die Kräfte der Natur auszudrücken liebt. Angelpunkt der Komposition unseres Fensterbildes ist der den Meeres- horizont wie das sattgrüne Vorgebirge überragende Leuchtturm, über dem sich ein Fleck blauen Himmels öffnet, unter dem im Bildmittelgrund ein kleines Dorf liegt, dessen scharf konturierte Backsteinmauern den ein- zigen Rot-Braun-Kontrast zum strahlenden Weiß-Blau-Grün-Dreiklang bilden, der das ganze Gemälde beherrscht. Verspannt wird dieser Land- schaftsausschnitt durch den oben in einem flachen Bogen schließenden, schräg gesehenen Fensterausschnitt; die Vertikalen der Fensterflügel, de- ren äußere Kanten dem Bildrand folgen, verleihen der einzigen Horizon- talen der Komposition, dem Meereshorizont, Halt, während die liegenden Fenstersprossen perspektivisch in die Tiefe, einige davon direkt auf de: Leuchtturm weisen. Wobei dieselben Fenstersprossen gleichermaßen wie ein Strahlenkranz die Farben des Himmels und des Meeres über den Bild- rand hinaus wirksam werden lassen und wesentlich zum lichtdurchflute- ten, festlichen Gesamteindruck des Bildes beitragen. Besondere Beachtung verdient die Pinselführung, sind doch die Farben des Himmels und des Meeres in sehr unterschiedlicher Weise vorgetragen; erstaunlich ist die Tatsache, daß die blaue, den Blick ins Unendliche freigebende Öffnung des sonst silbriggrau verhangenen Himmels die am pastosesten gemalte Stelle des ganzen Bildes ist, während die nahe an den Betrachter heran- geführten Fensterflügel sich in unwirklicher Transparenz — nicht nur die Glasscheiben, sondern insbesondere auch die Holzrahmen — aufzulösen scheinen. Sicher beruht in diesem nah und fern negierenden Farbauftrag