PABLO PICASSO, FEMME AU CHAPEAU, 1961 Obwohl Picassos Gesamtwerk im Laufe seines langen Lebens zahlen- mäßig zu einer Breite angewachsen ist, die es beinahe verunmöglicht, die in die Tausende gehenden Werknummern zu überblicken, so lassen sich doch relativ leicht Themen herauslesen, die in allen entscheidenden Etap- pen seines Werdeganges wiederkehren. Zu diesen Themen gehört das Bild der in einem Stuhl oder Fauteuil sitzenden Frau, wobei freilich dieses Motiv nur einen Aspekt jenes wichtigsten Darstellungsgegenstandes dar- stellt, den Picassos Kunst kennt: das Bild des Weibes in all seinen Erschei- nungsformen als Freundin, Geliebte, Mutter, Göttin, Hure usw. Bereits zu Beginn unseres Jahrhunderts, das heißt kurz nachdem Picasso nach Paris gekommen ist, begegnen wir dem Bild der sitzenden Frau, zu- nächst in der sprühenden Brillanz der Toulouse-Lautrec-Nachfolge, bald auch als Ausdruck menschlichen Elends in der blauen Periode. An «Femme au fauteuil» werden sämtliche revolutionierenden Formerfah- rungen des Kubismus erprobt, in ingreskem Klassizismus malt Picasso 1917 seine junge Frau Olga. Das Thema reflektiert im Laufe der Jahre die gegensätzlichen Charaktereigenschaften seiner Freundinnen. Auf das sanfte Gesicht mit dem antikisch-klassischen Profil von Marie-Therkse Walter, das um 1932 mehreren Bildern eines im Fauteuil schlafenden Mädchens zugrunde liegt, folgt das temperamentvolle, leicht asymmetri- sche Antlitz von Dora Maar, das unter Picassos Pinsel die gewalttätigsten Deformationen über sich ergehen lassen muß, läßt sich doch in den Bil- dern mit Dora Maar — «La femme qui pleure»! — die ganze Bedrängnis des Künstlers in der Zeit des Zweiten Weltkrieges ablesen. Die Gefährtin der Nachkriegszeit, Francoise Gilot, finden wir in einer polnischen Jacke im Fauteuil sitzend dargestellt, 1954 entsteht eine Folge von 12 sitzenden Halbfiguren-Porträts von Sylvette, und äußerst zahlreich sind schließlich die Bilder, die Picasso von seiner zweiten Frau Jacqueline Roque gemalt hat. Als Arlesienne oder auf einem Schaukelstuhl meditierend, immer wieder begegnen wir im Spätwerk Picassos ihrem südländisch-schönen