DIE SCHENKUNG MARC CHAGALL Der Saal Marc Chagall, der im November 1975 eröffnet werden konnte, zeigt anhand von 14 wichtigen Bildern beinahe sämtliche Schaffensepo- chen des Künstlers. Die nachfolgenden kurzen Bildbeschreibungen be- schäftigen sich nur mit den fünf neu und definitiv in die Sammlung des Kunsthauses gelangten Werken. Dabei ist nicht zu vergessen, daß das Kunsthaus bereits vor dieser außerordentlichen Schenkung drei Bilder des Künstlers besessen hat: 1949 erwarb die Zürcher Kunstgesellschaft die 1928/29 entstandene Gouache «Le Boucher»; anläßlich der großen Cha- gall-Retrospektive 1967 entschloß sich die Vereinigung Zürcher Kunst- freunde zum Ankauf des Spätwerkes «La Guerre», 1970 schenkte Herr Gustav Zumsteg ebenfalls der Vereinigung Zürcher Kunstfreunde das einzigartige Bild « La Fen&tre sur 1’Ile de Brehat » (1924). Zusammen mit den sechs Dauerleihgaben des Künstlers ergeben sich im Chagall-Saal, so wie er sich gegenwärtig präsentiert, folgende Schwerpunkte: die erste russische Zeit ist vertreten mit zwei, die Rückkehr nach Frankreich in den zwanziger Jahren mit drei Werken; in die Jahre des Zweiten Weltkrieges fallen wiederum zwei Bilder, während aus der Zeit der definitiven Nieder- lassungy: des Künstlers in Südfrankreich sieben Bilder stammen. La naissance, 1910 (Abb. 1) Die Geburt ist in den letzten Monaten vor Chagalls erster Reise im Som- mer 1910 nach Paris in Petersburg entstanden. Obwohl später 1910 da- tiert, hing das Bild bereits 1909 im « Salon der Jugend-Union» in Peters- burg. Zusammen mit dem etwa gleichformatigen Bild Der Tote von 1908 ge- hört Die Geburt zu den bedeutendsten Frühwerken des Künstlers, in denen die rituellen Gesetzmäßigkeiten von Anfang und Ende des mensch- lichen Lebens mit dem Alltäglichen konfrontiert werden. Die Geburt ist deutlich in zwei Bildhälften unterteilt: in eine weibliche