ten wahr. Zu beiden Seiten dieser Mittelachse gruppieren sich rechteckige Felder, die den einzelnen Bildinhalten gewidmet sind — ein Verfahren, wie es die Collagetechnik von vornherein antizipiert. Stehen diese Bild- teile, die formal streng aufeinander bezogen sind, auch in einem sich ge- genseitig erhellenden Sinnzusammenhang? Oder sind sie rein zufällig zu einer Komposition geordnet, ohne in einem Kontext zum Ganzen zu ste- hen? Man ist versucht, zum mindesten das Warnungsschild «Caution — watch your step» in Beziehung zu setzen zu den beiden Fotos, die sich als bestimmte, genau identifizierbare Situationsschilderung markieren: Merce Cunningham bei der Arbeit. Er probt eine Balancehaltung, auf einem Bein stehend, den Körper vom Kopf bis zum ausgestreckten Fuß in die Horizontale gelegt, die Arme ausgebreitet. Im Profil gesehen gibt diese Haltung den überzeugendsten Eindruck einer auf das Gleichgewicht aus- gerichteten Schrittstellung wieder. In der Tat hat der Tänzer seinen nächsten Schritt sorgfältig zu überlegen und abzuwägen, um die Balance zu halten. Auf dem Foto im unteren Bildteil ist das Warnungsschild offen- sichtlich nicht beachtet. Hier ist ein Polizist vom Pferd gestürzt, er hat sein Gleichgewicht — im Gegensatz zu Merce Cunningham — verloren, den Schritt nicht beachtet. Man kann also leicht eine anekdotische Verbindung zwischen den Bildteilen herstellen. Aber möglicherweise würde Rauschen- berg selbst diese Interpretation als viel zu literarisch ablehnen. In seinen Collage- und Combine-Paintings berichtet er keine Anekdoten und sucht keinen persönlichen Symbolismus in objektivere Sicht umzusetzen. Fotos, die durch ihre vertraute Gegenständlichkeit gerne zur Interpretation ver- locken, haben keine andere Aufgabe, als die Identität einer realen Situa- tion herzustellen. Rauschenberg übermittelt keine Geheimbotschaften in diesen aus Fragmenten der Wirklichkeit zusammengesetzten Combine- Paintings, die wie Puzzle zu einer einheitlichen Bildgeschichte zusammen- setzbar scheinen, aber es eben doch nicht sind. Jedes auch noch so frag- mentarische Relikt der Wirklichkeit steht hier um seiner selbst willen.