erzählte unter anderem von dem Jugend- erlebnis, bei dem er einen Luftgewehrbolzen ins Auge seiner Schwester schoss®. Franz Meyer weist darauf hin, «dass es bildende Künstler sind, welche gerade mit der Verletzung des Auges operieren, also die Waffe gegen das Organ richten, aus welchem die eigene künstlerische Schau hervorgeht». Es handle sich dabei jedoch nicht um ein mutwilliges Spiel, sondern um einen «Tabubruch, eine extreme Verletzung der herkömmlichen Weltordnung, die den Sinn hat, eruptiv psychische Grundkraft zu befreien, damit aus Ihr neue Ordnung ent- stehen könne*». Es ist bekannt, dass für Giacometti gerade das Auge das Lebens- zentrum des Gesichtes und der Figur überhaupt darstellte und In seinem späteren Werk von entscheidender Bedeutuna war. Das Motiv des « Spielbretts» kehrt in Giacomettis surrealistischen Werken häufig wieder. Es veranschaulicht psychische Grundsituationen; In den meisten Ist das «Spiel» erfüllt von Aggressivität und mehr oder weniger deutlichen Anspielungen auf den Kampf der Geschlechter. Die Plastik «Pointe a l’CEil» trug früher den Titel « Relations desagregeantes» (Sich auf- lösende Beziehungen). Auch das Bewegungs- motiv Ist für viele der surrealistischen Plastiken kennzeichnend. Giacometti selbst schrieb in seiner Werkanalyse von 1947, dass es besonders die Bewegung war, die ihn zu der Zeit fesselte. «Trotz all meinen Bemühungen war es mir damals unmöglich, eine Skulptur zu ertragen, die Bewegung vortäuschte, ein schreitendes Bein, einen erhobenen Arm, einen seitwärts blickenden Kopf. Eine solche Bewegung konnte ich nur Machen, wenn sie wirklich und tatsächlich war: ich wollte auch das Gefühl vermitteln, dass sie ausgelöst würde. Mehrere Dinge, die sich In gegenseitiger Beziehung bewegen®.» In den surrealistischen Plastiken wird die Bewegung nicht nur suggeriert, sondern oft durch die Einführung beweglicher Teile tatsächlich erzeugt. Die schon 1934 berühmt gewordenen erotischen Bewegungs- objekte fehlten bei keiner der Surrealisten- Ausstellungen. Salvador Dali schrieb zu diesen Werken: « Die symbolisch agierenden Objekte, denen nur eine minimale wirkliche Motorik eigen ist, beruhen auf den Ein- bildungen und Vorstellungen, die durch die Aktion unbewusster Beweggründe in Szene gesetzt werden®.» Die Bewegung ist meist so gelenkt, dass sich die einzelnen Teile nicht berühren. Die Keule trifft das Auge nicht wirklich, sie ist Im letzten Moment angehalten und ruft nur den Ein- druck des Zustossens hervor. Im übrigen ist sie In der Zeichnung noch weiter vom Auge entfernt als In der Plastik, wie über- haupt die Plastik gegenüber der Zeichnung stärker in die Länge gezogen und niedriger Ist. Die Federzeichnung Projet pour une Sculpture: Homme et Femme, avec Torse de Femme ist wohl gegen Ende der surrealisti- schen Periode, das heisst in den Jahren 1933-35 entstanden. Allerdings ist die Skulptur, für die dies wohl eine Entwurfs- zeichnung war, nicht bekannt. Wahr- scheinlich Ist sie nie ausgeführt worden. Die schmalen, überlängten Figuren haben Ahnlichkeit mit den Plastiken der schreitenden Frauen aus den Jahren 1932-34 sowie mit dem «Unsichtbaren Gegenstand» von 1934. Sie erinnern vor allem an eine der Frauen, die Glacometti als « Mannequin» bezeichnete und deren Torso er mit dünnen schwarzen Armen und einem Violinhals als Kopf 115