rechten Seite ein weiteres Gemälde. Der
unvorbereitete Betrachter fragt sich zunächst,
WO denn nun die Modelle des Künstlers
zu sehen seien. Man fühlt sich fast vor ein
Bilderrätsel gestellt. Einen Hinweis zur
Lösung geben die im Bilde gemalten Bilder.
Fasst man sie näher ins Auge, so erkennt man
bekannte Werke Segantinis: Auf der Staffelei
die Rückkehr zum Schafstall, daneben an
die Wand gelehnt, den Pflüger (heute in der
Staatsgalerie in München). Dabei wird
einem klar, dass die beiden Bilder mit Bedacht
gewählt sind; auf dem einen ist in morgend-
lich heller Berglandschaft die das Bauern-
leben am eindeutigsten charakterisierende
Arbeit des Pflügens dargestellt, auf dem
andern sind es die Tiere: Heimkehr der
Schafe in der Abenddämmerung zu den
erleuchteten Ställen. Damit ist ein Teil von
dem gegeben, was zu dem programmatischen
Titeln geführt hat: zu den Modellen gehören
die Alpenlandschaft, die Bauern in ihrer
Arbeit und die Tiere. Damit sind aber die
Modelle noch nicht alle genannt; zu ihnen
gehört auch — was sich aus dem Bild aller-
dings nicht direkt ablesen lässt — das junge
Mädchen, das im Laternenlicht, fast möchte
man sagen verstohlen, die Bilder betrachtet.
Es handelt sich dabei um eine junge
Bäuerin aus Savognin, Barbara Uffer,
genannt « Baba», die als schulentlassenes
Mädchen in den Haushalt des Künstlers
und seiner Familie eintrat, dem Maler auch
die Malwerkzeuge nachtrug, vor allem aber
immer wieder für seine Bilder als Modell
diente. Sie hat ihm bis zuletzt treu gedient
und war auch bei seinem plötzlichen Tod auf
dem Schafberg bei ihm. Sie erscheint
übrigens auch auf einem andern Bild im
Kunsthaus als das strickende Mädchen.
In einem etwas weiteren Sinn könnte man
auch den Raum, in dem sich die Szene ab-
spielt, als Modell bezeichnen, handelt es sich
doch um die Scheune, die sich der Künstler
in Savognin als Atelier eingerichtet hatte.
Ohne Zweifel hat dieser vertraute Raum,
der bei Nacht wohl keine künstliche Beleuch-
tung besass, einen starken Anteil an der
Entstehung des Bildes. Innenräume mit dem
Spiel von Licht und Schatten erscheinen
schon früh In Segantinis Werk, was einen
nicht erstaunt, wenn man sein Sensorium für
«Taten und Leiden des Lichts» in jeder Form
bedenkt. Fast gleichzeitig mit unserem Bild
entstanden weitere verwandte Werke, von
denen die «zwei Mütter» wohl das bekann-
teste ist. Hier ist in einem ebenfalls von einer
Laterne beleuchteten Stallinnern eine junge
Frau mit Ihrem kleinen Kind auf dem Schoss
zusammengebracht mit einer Kuh, neben
der ein Kälblein am Boden ruht. Die Laterne
verbreitet ein sanftes, goldenes Licht, das
Mensch und Tier mütterlich warm umfasst
und zusammenbindet. Was beide Bilder
gemeinsam haben, ist die Empfindlichkeit des
Malers für die Farbnuancen, welche das
Laternenlicht den an sich stumpfen Braun-
und Gelbtönen verleiht, die Sensibilität aber
auch für die geheime Farbigkeit in den
Schattenpartien.
Während aber in den beiden Müttern das
Licht, dem Thema entsprechend, eher gleich-
mässig mild und einhüllend ist, sind in
«| miei modelli», die Ja gleichsam einen
hastigen, etwas verstohlenen Besuch im
Atelier wiedergeben, die Gegensätze von
hellen und dunklen Partien stärker betont, so
dass sich ein fast verwirrendes Vexierspiel
von Licht und Schatten ergibt. Der Betrachter
muss sich, wie die beiden Eindringlinge
auf dem Bild, erst zurechtfinden. Volles Licht
fällt auf das betrachtende Mädchen und
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