moralisierenden Absicht des Dichters; denn es ist schwer, unter diesen Demimondänen mit ihrem ‚Air von ungenutzter Koketterie ... und unwill- kürlicher Melancholie>31 den Gegensatz von (Folly> und <«Innocence> wahrzunehmen.» Andere Bilder, die auf Cowper zurückgehen, zeigen des Dichters Vorgehen gegen soziale Ungerechtigkeit, wie « Der gerächte Neger» (Schiff 1233), dem das Gedicht 7he Negro's Complaint zugrunde liegt. Das Gemälde «Das Gefängnis» leitet sein Thema vom V. Buch von The Task her. Der Gegenstand dieses Gedichtabschnittes entwickelt sich von der Betrachtung eines frostigen Wintermorgens zu ainer Abhandlung über Sklaverei und Freiheit®?. Die politischen Aspekte dieses Buches bewegen sich innerhalb von Vergleichen britischer und französischer Loyalität, der Monarchenrolle und der Elenden — dargestellt durch die Bastille (fünf Jahre vor ihrem Fall) — bis zu einer philosophischen Vorstellung geistiger Freiheit, erlangt vom Men- schen durch Gottes Gnaden. Die Zeilen, die Füssli für seine Illustrationen gewählt hat (774-778), n1andeln vom Streben nach Freiheit, das der ge- samten Menschheit zugrunde liegt, und der letzten Befreiung von Seele und Geist: Th’oppressor holds His body bound; but knows not what a range His spirit takes, unconscious of a chain; And that to bind him Is a vain attempt Whom God deliahts in. and in whom he dwells33 In der linken unteren Ecke des Gemäldes lehnen sich ein Mann und eine Frau — Personifikationen des menschlichen Geistes —, in einer dunklen Zelle zurück. Sie haben die Arme anmutig umeinander gelegt. Der Mann schläft, aber die Frau ist von einer ätherischen Vision aufgeweckt worden. In der oberen Hälfte des Bildes erscheint vor ihr eine grosse weibliche Figur in aufleuchtendem Licht. Sie ist bekleidet mit einem langen, durchsichtigen, wallenden Gewand, und ein Schleier fliesst hinter ihrem Körper hervor. Auch ihr Haar ist lang und wogend; es erwidert in seinem gleitenden Fallen die Aufwärtsbewegung der Arme. Dieser Geist der Freiheit blickt gütig auf die eingekerkerte Frau, während ein Wächter, dessen kräftiger Rücken durch das silberne Mondlicht hervorgehoben wird, im Hintergrund schläft. In weiter Ferne kann man ein schweres Eisengitter sehen, von dem wir wissen, dass es sich bald öffnen muss, da die Eingekerkerten ihrer Gefangenschaft entrinnen werden. Diese nächtliche Erscheinung des Geists der Freiheit zusammen mit dem Motiv des schlafenden Soldaten und dem Gitter erinnert an Raffaels Fresko der «Befreiung Petri» in der Stanza d’Eliodoro im Vatikan34 «Die Erscheinung» ist ein beliebtes Thema für Füsslis reiche und unkonventionelle Einbildungs- kraft. Die Nachtmahr- und Phantasiethemen aus der Literatur, der englischen und deutschen Legende ader jene, die er selbst erfunden hat, liefern per- fekten Stoff für das Malen von Geistererscheinungen, Feen oder Dämonen. Die vielleicht engste Parallele jedoch, die unter diesem Aspekt zu dem «Gefängnis» gefunden werden kann, ist die Darstellung einer Szene aus der klassischen Antike. In einem früheren Werk « Der Traum des Sokrates» (Schiff 802, Abb. 5) liegt der eingekerkerte Philosoph in seiner Zelle, während sich ihm von oben ein Geist nähert. Wiederum verheisst der Geist der Freiheit dem eingesperrten Opfer die Freiheit. In diesem Fall jedoch — Sokrates trinkt den schicksalserfüllenden Schierlingsbecher — wird die unvermeidliche Freiheit der Seele durch den Tod erreicht. Die Ähnlichkeiten zwischen den beiden Gemälden sind verblüffend, wie es auch die Beziehung beider zu Raffaels Fresko ist. So sehen wir in einer Illustration zu einem Werk zeitgenössischer Literatur — im Bild «Das Ge- fängnis» — die Wiederholung sowohl eines philosophischen Themas (Freiheit) als auch einer ar